Ancelotti und der FC Bayern:Von Spielern und Menschen

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Carlo Ancelotti lässt bei einer Preisverleihung Andeutungen über sein Aus fallen.

Von Birgit Schönau

Der FC Bayern? "Schon Vergangenheit." Das schöne München? "Ich freue mich, dass ich endlich wieder Italienisch sprechen kann." In den zehn Tagen nach seinem Rauswurf beim FC Bayern hat Carlo Ancelotti, 58, schon eine Trophäe gewonnen und zwei Mannschaften trainiert. Letzteres im Trikot des AS Rom, wo Ancelotti von 1979 bis 1987 selbst Spieler war: Sein erster Termin als (Luxus-)Arbeitsloser führte ihn nach Jerusalem, zu einem von der Roma veranstalteten Turnier mit arabischen, israelischen und armenischen Jugendlichen.

Fußball als Friedensstifter, mit dem naturgemäß sehr friedlichen Carletto auf der Bank. Und weil man vor Kindern sowieso kein böses Wort fallen lässt, hielt Ancelotti vorbildlich nur die andere Wange hin: "Die Münchner haben gesagt, ich bin zu weich und halte kein anständiges Training ab? Bitteschön, sollen sie doch sagen, was sie wollen. Ich halte es mit diesem italienischen Dichter, für den Schweigen eine Tugend war."

Welcher Dichter war das noch mal? Sicher nicht Dante, der Verbannte. Manzoni, Pirandello, Leopardi? Ancelotti schweigt. Vielleicht meinte er sich auch selbst, denn beim zweiten Termin kassierte er tatsächlich in Turin den italienischen Fußball-Literaturpreis mit dem klingenden Namen "Premio Nazionale Letteratura del Calcio ,Antonio Ghirelli'".

Ganz allein hatte Ancelotti das prämiierte Werk Quiet Leadership zwar nicht geschrieben. Aber egal, die Italiener wissen, was sie an ihrem Carletto haben. Und eine ruhige Hand beim Entscheiden schätzen sie sowieso, beim Fußball und - eine unerfüllte Sehnsucht - in der Politik.

Politik? Da winkt Ancelotti ab, "das sind zwei getrennte Welten. Ein Trainer soll den Trainer machen". Aber zu den Bayern mochte er in Turin jetzt doch etwas sagen. Oder vielmehr: andeuten. "Ich wäre (zur Preisverleihung) auch gekommen, wenn ich nicht aus München verjagt worden wäre, aber offenbar wollte man dort sicher sein, dass ich auch pünktlich bin." Und dann ließ Carletto, der Friedliche, tiefer in seine Seele blicken. Denn diese Seele ist ohne Frage sehr verletzt.

"Die Ruhe entspricht nun mal meinem Wesen, und ich will auch nicht anders sein." Unnütz, aus diesem Mann einen Schleifer machen zu wollen. Oder einen Pedanten. "In Madrid hat man mich angeklagt, zu eng mit meinen Spielern zu sein. In München klagten sie über das Gegenteil. Die Herrschaften sollen sich bitte einigen. Die Wahrheit ist: Ich pflege nicht nur Beziehungen zu Spielern, sondern zu Menschen. Das ist ein Unterschied."

In der Tat. Könnte man nun zwischen den Zeilen des prämiierten Fußball-Literaten Ancelotti lesen, dass das Menschliche in München nicht ganz so toll war? "In 22 Jahren als Trainer habe ich nie schwierige menschliche Beziehungen gehabt. Ich treffe meine Entscheidungen, und man braucht halt die Intelligenz, um das zu verstehen. Plus einen Klub, der diese Entscheidungen verteidigt."

Damit wäre vieles angedeutet und alles gesagt. Und was wird nun? Ancelotti könnte sich vorstellen, bei seinem alten Klub AC Milan als Assistent von Vincenzo Montella einzusteigen. "Ein Match macht er, das nächste ich, wir wechseln uns ab auf der Bank." Sage keiner, er sei nicht innovativ. Aber im Ernst: Die italienische Nationalelf kann warten, "noch brauche ich den Geruch des Rasens täglich".

Aber jetzt erst mal Urlaub, unter Menschen in Vancouver, zur Läuterung der verletzten Seele. Und vielleicht das nächste Buch.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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