Amateurfußball:Appell an die Freiwilligkeit

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Als erster Klub verkündet Regionalligist FC Memmingen quasi sein eigenes Saisonende -und wird wohl zum Vorreiter.

Von Christoph Leischwitz

Es ist davon auszugehen, dass der FC Memmingen eine Vorreiterrolle einnehmen wird für den bayerischen, womöglich sogar für den bundesweiten Amateurfußball. Jedenfalls berichtet Präsident Armin Buchmann schon von anderen Klubs, die gerne die Schriftstücke einsehen möchten, mit denen der FC Memmingen seinen Mitgliedern die krassen Einschnitte mitgeteilt hat. Am vergangenen Dienstag verschickte der Vorstand des Fußball-Regionalligisten ein Schreiben, das nicht weniger als das Saisonende des Vereins bedeutet.

Und das beinhaltet auch, dass der Verein nach Möglichkeit alle Zahlungen an Spieler und Trainer, die Aufwandsentschädigungen und Ehrenamtspauschalen rückwirkend zum 16. März einstellt. "Wir sind uns alle einig darüber, dass nur bei einer maximalen Reduzierung der Ausgaben die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des FC Memmingen gewährleistet werden kann", heißt es in dem Schreiben. Der Grund für die Radikalmaßnahme: Buchmann geht davon aus, dass der Spielbetrieb für diese Regionalliga-Saison nicht mehr angepfiffen wird. Im Schreiben geht man sogar noch weiter: "Auch was die kommende Saison anbelangt, ist derzeit überhaupt nicht absehbar, wann ein geregelter Trainings- und Spielbetrieb wieder stattfinden kann."

Der Präsident will sich ab sofort nicht mehr auf das verlassen, was der Verband bestimmt. Und wenn man die Einschätzungen von Behörden studiere, ergebe sich doch sogar eher das Bild, dass bis Herbst nicht mehr gespielt wird. Eines Tages müsse er sich sonst wohl vor einer Mitgliederversammlung verantworten, warum er Schulden gemacht habe - und das könne er mit seinem jetzigen Wissensstand nicht vereinbaren. "Ich muss auch Rainer Koch in Schutz nehmen", sagt er über den Präsidenten des Bayerischen Fußball-Verbandes. Der könne sich ja auch nur an Vorgaben halten, auch er müsse mögliche Haftungsfragen berücksichtigen. Aber: "Jeder wartet nur, was der Verband macht", sagt Buchmann, während auf seinen Verein Kosten von rund 1500 Euro zukommen - täglich. Ohne Einnahmen sei das schon sehr bald nicht mehr zu stemmen.

"Die die Liquidität nicht haben, werden gnadenlos sterben."

Ganz vereinzelt könnte es beim FC Memmingen bald Kurzarbeit geben. Doch das größte Problem für in Finanznot geratene Vereine ist, dass Verträge mit Vertragsamateuren natürlich nicht einseitig kündbar sind, auch nicht ein einer Lage wie der Corona-Krise, in der die Einnahmen unerwartet komplett wegbrechen. So muss der Verein an die Freiwilligkeit der Akteure appellieren: Die Verträge laufen weiter, sonst würde es Arbeitsgerichtstermine hageln; die Zahlungen werden ausgesetzt. Jeder muss dem Vorstand schriftlich mitteilen, ob er dem Vorschlag zustimmt oder nicht. Dabei müsse jeder abwägen, so Bergmann, zwischen der privaten Situation und der Gefahr, dass der Verein insolvent geht.

Die Reaktionen im Klub fielen unterschiedlich aus, jedoch mit einer klaren Tendenz: "Viele haben sich sogar bedankt für die klaren Worte", sagt Buchmann. Einige Wenige hätten geantwortet, dass sie auf die Fortzahlung nicht verzichten könnten. Von diesen Personen seien die meisten mit Verträgen ausgestattet, die zum 30. Juni enden. Spieler mit langfristigen Verträgen - einige laufen sogar bis 2022 - hätten viel Verständnis geäußert. Buchmann freut sich: Memmingen kann voraussichtlich auf ein großes Kader-Grundgerüst für die kommenden Spielzeiten bauen.

Der worst case, von dem Buchmann mit den Präsidiumskollegen Thomas Reichart, Kai-Uwe Marten und Markus Kramer ausgeht, beinhaltet ebenso, dass ja auch noch zusätzliche Kosten auf den Verein warten könnten. Gemeint sind damit vor allem Sponsoren und Zuschauer, die schon eine Karte für das Pokalspiel gegen 1860 München gekauft haben. Die geplanten Einnahmen waren teilweise schon in der Kaderplanung der Winterpause berücksichtigt worden, sind also bereits ausgegeben.

Man habe nun den transparenten Weg gewählt, weil man darin schlicht die beste Lösung sehe, sagt Buchmann: "Ich weiß: Wenn wir den Schritt nicht getan hätten, dann würde der Verein auf absehbare Zeit in der Insolvenz landen - und das auf der Basis, gut gewirtschaftet zu haben." Er ist schon seit 20 Jahren für den FC verantwortlich und glaubt, dass auf zahlreiche Amateurvereine, die den Betrieb der ersten Mannschaft nicht in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert hätten, schon bald massive Probleme zukommen werden, wenn der Amateurfußball monatelang pausiert: "All jene, die die Liquidität nicht haben, werden gnadenlos an dieser Situation sterben." Ob der FCM indes die Fortzahlungen aufbringen kann für jene, die darauf bestehen, das kann er im Moment noch nicht sagen.

© SZ vom 22.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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