Alpenvolleys gegen Friedrichshafen:Wie eine eingeschworene Studentengruppe

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Bester Spieler mit 22 Punkten: Hachings Hugo da Silva (re.) war entscheidend gegen Friedrichshafen. (Foto: Claus Schunk)

Erstmals gewinnen die Alpenvolleys gegen Rekordmeister Friedrichshafen, sind sportlich oben angekommen - und planen nun schon ein Jahr früher als erwartet den Gewinn der Meisterschaft.

Von Julian Ignatowitsch

Den Lautstärkevergleich hatten die Gäste aus Friedrichshafen zunächst gewonnen. Als der Unterhachinger Hallensprecher während der ersten technischen Auszeit im Volleyball-Topspiel am Sonntagabend in der Sportarena nach der Unterstützung der Fans fragte, trommelten die Anhänger vom Bodensee den verhaltenen Jubel der Gastgeber einfach weg. Die Mannschaft der Alpenvolleys auf dem Feld war da standhafter und siegte gegen den Rekordmeister VfB Friedrichshafen 3:2 (25:20, 30:32, 24:26, 25:18, 17:15). So blieb die Erkenntnis: Sportlich sind die Alpenvolleys ganz oben angekommen in der Bundesliga und führen nun sogar mit zwei Punkten (bei einem Spiel weniger) die Tabelle vor dem Verfolger an, die Rückkehr von echtem Volleyball-Feeling im Münchner Süden braucht allerdings offenkundig weiterhin noch ein bisschen Zeit und Arbeit.

Die internationale Mannschaft zwischen Innsbruck und Unterhaching bietet bei aller sportlichen Klasse nur wenig Identifikationspunkte. Immerhin: Die Halle war diesmal mit 1400 Zuschauern fast ausverkauft, das Spiel hochklassig und auch die Stimmung wurde schließlich von Satz zu Satz besser, angetrieben von den Szenen auf dem Feld: Beide Teams setzten im Aufschlag auf Risiko, suchten den schnellen Angriff durch die Mitte und gaben keinen Ball verloren, was zwischenzeitlich dazu führte, dass sich Zuspieler Danilo Gelinski bei einer Rettungsaktion den Kopf an der Bande stieß. Am Ende stand eines der längsten und spannendsten Spiele in der Geschichte der Volleyball-Bundesliga. "Wir haben Historisches geschafft", verkündete der Hallensprecher - und meinte den ersten Sieg unter dem Label "Alpenvolleys" gegen Friedrichshafen. Die sind schließlich nicht irgendein Verein, sondern der Rekordmeister und -pokalsieger, kurz: das Aushängeschild des deutschen Volleyballs. In der vergangenen Saison hatten die Alpenvolleys noch alle Vergleiche, inklusive des Playoff-Halbfinals, deutlich verloren. Eine solche Leidenschaft wie am Sonntag, gepaart mit sportlicher Klasse, braucht es wohl, damit der "Volleyball wieder nach Unterhaching zurückkehrt", wie Manager Hannes Kronthaler sagte. Er war hochzufrieden und sah einen großen Schritt nach vorne. Die Mannschaft hatte die Fans sozusagen mitgenommen.

Den Hachingern kam sicher auch die Mehrbelastung des Gegners zugute, der drei Tage vorher im Pokal gefordert war und das vierte Spiel in zehn Tagen absolvierte. Dazu kam die angespannte Personalsituation: Der rumänische Nationalspieler Adrian Aciobanitei fehlt noch bis Januar, der Grieche Athanasios Protopsaltis ist weiter angeschlagen und nahm aufgrund von Wadenproblemen zunächst auf der Bank Platz. Unterhaching dagegen konnte die beste Sechs aufbieten.

Beide Mannschaften spielten von Beginn an ihr bestes Volleyball und waren fast durchgehend auf Augenhöhe. Selten setzte sich eine Mannschaft mehr als zwei Punkte ab. Selbst nachdem die Hachinger in den verlorenen Durchgängen zwei und drei Satzbälle liegen ließen und diese sehr unglücklich verloren, behielten sie hintenraus die Nerven. Hier zeigte sich, wieso sie in dieser Saison bislang alle sieben Ligaspiele gewonnen und dabei insgesamt nur vier Sätze abgegeben haben: Ein großer Team- und Kampfgeist zeichnet die Mannschaft mit Spielern aus der ganzen Welt unter der Führung des ruhigen Trainers und Strategen Stefan Chrtiansky aus. Auf einem Foto, das kürzlich auf der Homepage des Vereins zu sehen war, sehen die Spieler dann auch eher wie eine eingeschworene Studentengruppe auf Abschlussfahrt aus.

Im fünften Satz kulminierte all das, was bereits zuvor herausgetreten war: Der Pole Pawel Halaba machte ordentlich Dampf im Service, der junge Diagonalspieler Kirill Klets hämmerte den Ball aus scheinbar ausweglosen Positionen auf die Linie und der Brasilianer Hugo da Silva, mit 22 Punkten zum besten Spieler gewählt, wehrte mit einem Schmetterschlag durch den Block sogar einen Matchball der Gäste ab. "Unterhaching hat letztlich verdient gewonnen", sagte VfB-Trainer Vital Heynen und hob insbesondere den starken Angriff hervor. "Sie sind eine sehr, sehr gute Mannschaft, die die Bundesliga bereichert." Tirol-Manager Kronthaler nickte zustimmend.

Zum Jahresausklang warten nun zwei schwierige Partien in Frankfurt (23. Dezember) und Düren (29. Dezember) auf die Alpenvolleys. Und dennoch ist es gut denkbar, dass sie 2019 als Spitzenreiter beginnen. Kronthaler plant deshalb auch bereits in dieser Saison - ein Jahr früher als erwartet - den "Angriff auf die Meisterschaft". Dazu soll noch ein Außenangreifer von internationalem Format verpflichtet werden. "Wir sind überall hervorragend und mehrfach besetzt, aber auf dieser Position fehlt uns die Tiefe", erklärte er. Eine deutsche Verstärkung, gar aus der Region, würde der Verortung in Unterhaching sicher weiterhelfen. Aber diese Spieler sind rar, im Winter sowieso kaum zu haben. Und so kommt wohl eher ein weiterer Zugang aus Übersee, der mit viel Leidenschaft das bayerische Publikum überzeugen soll.

© SZ vom 18.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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