Alinghi:Sail away

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Das Segel-Syndikat Alinghi, Sieger des America's Cups 2003, entlässt mit Skipper Russell Coutts den besten Segler der Welt.

Von Christian Zaschke

Niemand wollte, dass er geht, aber am Ende mussten sie ihn rausschmeißen. In der offiziellen Mitteilung heißt das: "Team Alinghi trennt sich von Russell Coutts." Das Schweizer Segel-Syndikat und der neuseeländische Skipper hatten vor vier Jahren zusammengefunden und 2003 den America's Cup gewonnen, die wichtigste Trophäe im Segeln. Der Anteil von Coutts an diesem Sieg kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Sportlich ist die Trennung für die Schweizer daher eine Katastrophe. Doch sie war nicht mehr zu vermeiden.

Russell Coutts ist nicht länger Skipper der Alinghi. (Foto: Foto: AP)

Die Differenzen begannen unmittelbar nach dem Erfolg im Jahr 2003. Ernesto Bertarelli, Biotech-Milliardär und Alinghi-Boss, gründete das America's Cup Management (ACM), eine von Alinghi unabhängige Organisation, die die Verteidigung des Cups 2007 organisiert. Mit der Leitung betraute er seinen Freund Michel Bonnefous, Coutts erhielt keine Position im ACM. Er sollte weiterhin Skipper des Teams sein und erhielt einen millionenschweren Vertrag. Doch Coutts war verstimmt. Er wollte Einfluss.

Coutts hatte viele Ideen für den Cup 2007. Er wollte unter anderem das Design der Boote verändern, um für spektakuläreres Segeln zu sorgen. Er wollte beteiligt sein, wenn es darum geht, den Segelsport in Europa in eine neue Dimension zu führen; ziemlich sicher ist auch, dass der als geschäftstüchtig geltende Coutts an den entscheidenden Deals beteiligt werden wollte.

Die Verstimmung wurde zur großen Verärgerung, als Bertarelli entschied, die Verteidigung des Cups 2007 vor Valencia auszusegeln. Coutts hatte eindringlich für Lissabon plädiert, er hielt das Atlantikrevier in jeder Hinsicht für geeigneter. Die Wahl Valencias war ein Affront. Coutts hatte also den America's Cup zum ersten Mal in dessen 150 Jahre währender Geschichte nach Europa gebracht, er war 2003 wieder einmal zum Weltsegler des Jahres ernannt worden, er war Weltmeister, Olympiasieger, dreimaliger Cup-Gewinner, und nun das: Man hörte nicht auf sein Wort. Bei der offiziellen Verkündung des Austragungsortes Ende November 2003 fehlte Coutts.

Vermutlich hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Kapitel Alinghi abgeschlossen. Er begann, mit dem renommierten amerikanischen Segelprofi Paul Cayard im Geheimen eine neue Rennserie zu planen. Geldgeber aus dem Nahen Osten sollen hinter dem Projekt stehen. Dass er damit seinen Rauswurf provozierte war ihm sicherlich klar.

Im Juni diesen Jahres segelte die Alinghi-Crew in Newport einige Testwettfahrten gegen das Team BMW/Oracle, das mit ziemlicher Sicherheit der Hauptkonkurrent um den Cup sein wird. Coutts sollte das Steuer des Schweizer Bootes übernehmen, doch er weigerte sich. Er betrachtete die Wettfahrten vom Begleitboot aus. Statt seiner steuerte Peter Holmberg, einer der besten Matchracer der Welt. Den Amerikaner hatte Alinghi kurz zuvor verpflichtet, was etwas verwunderlich war, da bereits Coutts und der dreimalige Olympiasieger Jochen Schümann im Team standen. Im Rückblick ist klar, dass man sich für den Fall, der nun eingetreten ist, gerüstet hatte.

Coutts lehnte es ab, an weiteren Regatten teilzunehmen. Alinghi sieht darin "eine klare Verletzung des Arbeitsvertrages". Weiter heißt es: "Die Entlassung von Russell Coutts erfolgt aufgrund wiederholter Pflichtverletzungen." Diese Formulierung soll wohl auch deutlich machen, dass man keineswegs gewillt ist, dem Neuseeländer eine Abfindung zu zahlen. Das Team stellt fest, es habe keine andere Wahl gehabt, als Coutts zu entlassen. Daran ist nicht zu zweifeln. Ein Segler, der nicht segelt und zudem eine Konkurrenzserie plant, passt nicht mehr so gut ins Team.

Bertarelli sagt nun, dass er enttäuscht sei, "aufgrund der Faktenlage" nicht mehr mit Coutts arbeiten zu können. Die beiden wurden als Männerfreunde beschrieben, aber offenkundig war es eine brüchige Freundschaft. Interessanterweise lässt Bertarelli mitteilen, er werde auch in Zukunft alles tun, um das Team Alinghi zu schützen. Coutts weiß alles über das Team. Im Moment geht Bertarelli davon aus, dass Coutts aufgrund des America's-Cup-Reglements 2007 nicht für ein anderes Team an den Start gehen darf.

Coutts Weigerung, Regatten für Alinghi zu segeln, könnte jedoch damit zusammenhängen, dass er sich genau diese Möglichkeit offen halten wollte: Mit dem Argument, er sei seit dem Cup-Gewinn nicht mehr für Alinghi gesegelt, bei einem anderen Team anzuheuern. Das wird Bertarelli unbedingt verhindern wollen, denn Coutts gilt wegen seiner überragenden Fähigkeiten als "der Unterschied". Der Unterschied zwischen Sieg und Niederlage.

© Süddeutsche Zeitung vom 28.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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