89. Tour de France:Keine Lust auf Wegelagerer

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Lance Armstrong echauffiert sich über "die fehlende Intelligenz" französischer Beobachter.

Andreas Burkert

(SZ vom 23.07.2002) - Lance Armstrong hat die Cote d'Azur eigentlich sehr gemocht, mit Freunden und seiner Frau Kristin verbrachte er hier den europäischen Sommer, in einem Haus bei Nizza. Er hat es vor zwei Jahren verkauft.

Im Kreis seiner Familie fühlt sich Lance Armstrong wohl, allerdigns nicht in Frankreich. Seinen Urlaub verbringt der Träger des Gelben Trikots mit Frau Kristin und seinem Sohn Luke lieber in Spanien als im Tour-Land (Foto: N/A)

Seitdem meldet sich Frankreichs Steuerbehörde regelmäßig. Sie wollen noch Geld von ihm. Das Land, in dem er zum Weltstar aufgestiegen ist, verfolgt nicht nur Armstrongs Buchhaltung mit kritischem Blick. Es mag ihn einfach nicht.

"Sie haben mich ausgebuht"

Er ist den Franzosen suspekt, denn sie wollen nicht verstehen, dass ein Amerikaner ihr nationales Heiligtum dominiert, als habe sich die Konkurrenz vertraglich zur Zurückhaltung verpflichtet. Einfach so.

Als er am Sonntag zum Mont Ventoux aufstieg und mit seinem Wirbeltritt die Konkurrenz um den Gesamtsieg bei dieser 89. Tour de France abermals zurückließ, da hat er ihre Ablehnung wieder zu spüren bekommen. "Sie haben mich ausgebuht."

" Du hörst nur das Buhen"

Ihm ist das zu viel gewesen, und Armstrong, so schien es, hatte hinterher nur auf diese eine Frage gewartet: wie er die Atmosphäre empfunden habe. Als "nicht sehr sportlich", entgegnete er, und es war noch die freundlichste Formulierung.

Er sei das Resultat medizinischen Betrugs, hätten sie ihm hinterher gerufen, "zumindest einige", sagte Armstrong, "aber wenn zehn Leute klatschen und einer buht dich aus - dann hörst du nur das Buhen."

Zwei Minuten rechnete er mit diesen Menschen ab, er sprach ihnen Denkvermögen ab ("Ich denke, das ist ein Hinweis auf ihre Intelligenz"), er bezeichnete sie als stillos ("Menschen mit Klasse machen so etwas nicht"), er wünschte sie zum Teufel. Eigentlich hat er sie beschimpft, wie sie ihn.

Frankreich und Armstrong, das ist immer eine komplizierte Beziehung gewesen. Weil sie ihn verdächtigen, ein Dopingbetrüger zu sein.

Medizinischen Abfall entsorgt

Schon nach der Tour 2000 fing das an, als ein französisches Fernsehteam während der Rundfahrt beobachtet haben wollte, ein Betreuer seines US Postal-Teams habe an einer Autobahnraststätte medizinischen Abfall entsorgt.

Bis diesen Juni zog sich das Verfahren, die Pariser Staatsanwaltschaft stellte es schließlich ein, weil "die Ermittlungen zu nichts geführt haben".

Sitzcreme mit verbotenen Wirkstoffen

Armstrong hatte sich geweigert, mit seinen Teamkollegen als Zeuge auszusagen. Sehr konkret ist der Verdacht 1999 gewesen, als sich während der Tour Kortekoide in seinem Urin fanden.

Armstrong hatte, wie er damals angab, eine Sitzcreme benutzt, die verbotene Wirkstoffe enthielt. Angemeldet, wie eigentlich vorgeschrieben, war diese Behandlung nicht.

Niemand kennt Armstrongs Gesundheitspass

Lance Armstrong, 30, gewann also die 99er-Tour und sprach von einem Wunder, weil er ja zwei Jahre zuvor schwer an Hodenkrebs erkrankt gewesen war; niemand hat jemals seinen Gesundheitspass gesehen, der dem einstigen Krebspatienten womöglich die Einnahme leistungsfördernder Substanzen erlaubt.

Und Armstrong verteidigt immerzu seinen Sportarzt, den in Italien als Dopingsünder verdächtigten Mediziner Michele Ferrari (SZ vom 17.7.).

Das alles erzählt Frankreichs Presse seiner Kundschaft, häufig und mit einem deutlichen Zungenschlag, der den Glauben an die Dominanz eines überragenden Sportlers aus Fleisch, Wasser und Blut nicht zulässt. Hier gilt: Im Zweifel gegen den Angeklagten.

Lance Armstrong hat sich über diese Mentalität der Franzosen häufig beklagt, doch das Misstrauen dringt nun schon im vierten Jahr zum im vor. Obwohl er inzwischen fast täglich Interviews in französisch gibt.

Jubel um Richard Virenque

Doch diesmal, auf dem Mont Ventoux, hat er endgültig mit seinen Gastgebern gebrochen. Denn sie haben ja nicht nur ihn beleidigt, sondern auch ihm zugejubelt, Richard Virenque, Sonntag der Triumphator auf dem Mont Ventoux.

Virenque, 32, ist Franzose, länger als zwei Jahre hat er auf Kommando einen Heulkrampf bekommen und seine Unschuld beteuert, wenn er zu seiner Rolle in der Festina- Affäre der Tour 1998 befragt worden war. Vor eineinhalb Jahren gestand er dann doch die regelmäßige Epo-Einnahme.

Armstrongs Buch - ein Märchen?

Soeben ist Virenques erstes Buch erschienen: "Meine Wahrheit". Lance Armstrongs Buch heißt "Tour des Lebens", darin erzählt er seine wundersame Krankengeschichte inklusive Happy-End. Die Franzosen halten die Geschichte für ein Märchen.

Lance Armstrong verbringt den Sommer jetzt gewöhnlich in Gerona, Spanien. Er besitzt dort ein Haus.

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