75. Geburtstag von Frank Williams:General der Boxengasse

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Namensgeber und jahrelange Führungsfigur eines für die Formel 1 mittlerweile höchst ungewöhnlichen Rennstalls: Frank Williams. (Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Team-Gründer Frank Williams feiert am Rennsonntag seinen 75. Geburtstag. Die Geschäfte im letzten reinen Familienunternehmen der Formel 1 führt seine Tochter. Wie lange noch?

Von Elmar Brümmer, Sakhir

Die moderne Formel 1 hat zuletzt viele ihrer prägenden Figuren verloren: Peter Sauber konnte sein Lebenswerk nur retten, indem er es im letzten Sommer an schwedische Investoren verkauft hat. Ron Dennis wurde im Winter bei McLaren vom Hof gejagt. Bernie Ecclestone, vier Jahrzehnte Chef der Serie, ist beim Großen Preis von Bahrain an diesem Wochenende nur noch Zaungast. Bleibt Frank Williams, auch wenn dieser nur noch selten an den Strecken zu sehen ist, weil die Reisestrapazen zu groß sind. Dass sein 75. Geburtstag auf einen Rennsonntag fällt, ist Zufall - oder auch nicht. Bei Williams, dem letzten reinen Familienunternehmen der Formel 1, sind sie "infiziert von der Geschwindigkeit", wie Gründer Frank Williams seine Leidenschaft gern beschreibt. Deshalb hat er die Geschäfte vor ein paar Jahren auch an seine Tochter Claire übertragen - als rasendes Erbe.

"Frank", sagt die 40-Jährige mit fester Stimme, bleibe immer der Boss: "Aber ich möchte ihn so repräsentieren, dass er zufrieden mit mir ist." Als Rennfahrer war Frank Williams nur Durchschnitt, den großen Erfolg feierte er als Teamchef. Neun Triumphe in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft und 114 Rennsiege zählt die stolze hauseigene Statistik. Die Großtaten der sehr eigenwilligen, sehr britischen Truppe liegen allerdings schon lange zurück. Der letzte Rennsieg im Frühjahr 2012, ausgerechnet von Crash-Pilot Pastor Maldonado, war eher ein Zufall. Den bislang letzten Fahrertitel holte Jacques Villeneuve 1997 im berüchtigten Duell mit Michael Schumacher. Der Kanadier reiht sich damit in die Riege großer Williams-Champions ein - Keke Rosberg, Nigel Mansell, Damon Hill, Alan Jones, Nelson Piquet, Alain Prost.

Auch Ayrton Senna unternahm in einem Williams-Rennwagen den Anlauf auf einen weiteren WM-Titel - und verunglückte am 1. Mai 1994 in Imola tödlich. Unfallursache soll ein Material- oder Konstruktionsfehler gewesen sein - Williams und seine leitenden Angestellten wurden erst Jahre nach dem dunkelsten Tag der jüngeren Formel-1-Geschichte vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen. Mitschuldig in irgendeiner Form aber hatte sich der verantwortungsbewusste Williams stets gefühlt: "Wir hatten eine große Verantwortung, weil wir ihm das Auto gaben - und wir haben Ayrton im Stich gelassen."

Vielleicht übernimmt mal ein Investor, noch tragen die Autos aber die Initialen FW

Claire Williams, die Ende des Jahres ein Baby erwartet, fühlt sich der Familien-Tradition verpflichtet: "Williams, das bedeutet Frank. Und der Gedanke daran, dass er einmal nicht hier sein könnte, wäre schwierig." Im vergangenen Oktober, als ihr Vater mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, bangte die Motorsportwelt mit. Der Patient, der keine Interviews mehr geben möchte, erholte sich wieder. Er ist ein Vorbild, was die Zähigkeit angeht, seinen Prinzipien treu. Er will das Sagen behalten, auch wenn längst Investoren mit an Bord sind, um den Rennstall und die Entwicklungsabteilung finanziell abzusichern. Mercedes-Sportchef Toto Wolff war beteiligt, jetzt hat sich Lawrence Stroll, ein milliardenschwerer kanadischer Unternehmer, eingekauft. Zum Wohle seines 18-jährigen Sohns, der einen der beiden Rennwagen steuert. Vielleicht übernimmt er irgendwann den Laden ganz. Noch aber tragen die Autos die berühmten Initialen FW im Typenkürzel.

Mit der Idylle ist es in Grove in der Grafschaft Oxfordshire ohnehin schon länger vorbei. Von 17 Mitarbeitern im Jahr 1977 ist Williams auf 600 Angestellte gewachsen, der am besten bezahlte dürfte der neue Technikdirektor Paddy Lowe sein, der erst kürzlich von Mercedes losgeeist wurde. Er soll die Rolle von Patrick Head ausfüllen, der jahrzehntelang der Co-Chef von Frank Williams war und das Tagesgeschäft leistete. Die beiden pflegten einen rauen Umgang - mit sich und allen anderen. Gerhard Berger, der ehemalige BMW-Sportdirektor und Williams-Partner beschreibt die Tonlage bei Williams schmunzelnd so: "Wenn Frank ,nicht schlecht' sagt, dann heißt das übersetzt: sehr gut..."

Dass das Klima in der Rennfabrik für Außenstehende fast eisig erschien, mag auch mit der Härte zu tun haben, die Frank Williams gegen sich selbst beweist, seit er nach einem Autounfall bei der Rückfahrt von Testfahrten in Le Castellet 1986 querschnittsgelähmt ist. Er raste, weil er unbedingt einen Flug erwischen wollte: "Ich wusste, dass ein Unfall irgendwann passieren würde, so wie ich in den Zeiten damals gefahren bin." Er kämpfte sich trotz des Handicaps der zerquetschten Wirbel in die Boxengasse zurück. Diese Disziplin, die sich längst zu reiner Kompromisslosigkeit ausgewachsen hat, verlangt er von allen anderen. Selbst wenn er geschoben wird, versucht er mit den Händen noch die Räder mit zu drehen. "Ohne Motorsport", sagt er, "wäre ich wirklich krank." Die Bezeichnung als Rollstuhl-General empfand der Freund der Militärhistorie stets als Ehrentitel. Offiziell ist er 1999 von der Queen zum Ritter geschlagen worden. Seine Rennstreckenweisheit ist eine beinahe banale, aber sehr treffende: "Die Formel 1 ist harte Arbeit und wie das Leben - man kann nur herausholen, was man investiert."

© SZ vom 16.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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