3000 Meter Hindernis:Energie aus dem Wassergraben

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"Jeder bringt sein Talent mit, und ich denke, der Wassergraben ist meins": Gesa Felicitas Krause, 27, auf dem Weg zu WM-Bronze. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Einmal um die Welt - und dann Bronze in Doha: Läuferin Gesa Felicitas Krause würdigt ihre Medaille nach einer fulminanten Schlussrunde mit speziellen Wünschen.

Von Saskia Aleythe, Doha

Sie wollte jetzt am liebsten weiterlaufen, draußen, in der Hitze Katars. Gut, Gesa Felicitas Krause, 27, dachte auch an den bevorstehenden Urlaub nach einem Jahr ohne freien Tag, sie dachte an Gummibärchen und Wein, worauf sie lange verzichtet hatte wegen ihrer strikten Ernährung. Aber bevor nun die Gelenke Erholung bekommen sollen nach einer zehrenden Zeit, wollte sie es in Doha wenigstens einmal draußen probieren. "Das gönne ich mir noch", sagte sie. Läufer haben bisweilen spezielle Wünsche und Träume. Aber sie führen ja auch ein spezielles Leben.

Auch so ein Hindernislauf birgt Momente, die für Außenstehende schwer zu begreifen sind. Am Montagabend in Doha zeigte Krause eine fulminante Schlussrunde, das ganze Rennen zuvor hatte sie um den Anschluss an die Verfolgergruppe von Beatrice Chepkoech kämpfen müssen - und dann entdeckte sie auf den letzten 300 Metern noch eine Energiequelle. "Hintenraus mobilisiert der Körper einfach noch mal Kräfte, die man vorher gar nicht verspürt. Das ist dann natürlich die Euphorie. Da gibt es kein Schmerzempfinden mehr", erklärte Krause, nachdem sie schließlich über 3000 Meter Hindernis zu WM-Bronze gelaufen war. In neuem deutschen Rekord von 9:03,30 Minuten. Chepkoech holte in 8:57,84 Minuten Gold, vor der US-Amerikanerin Emma Coburn (9:02,35), nie war eine Hindernisläuferin bei einer WM schneller als die Kenianerin.

Voller Zuversicht war Gesa Felicitas Krause nach Doha gereist, denn in den vergangenen Wochen hatte sich ihr Weg in diesem Jahr als richtig erwiesen: Beim Diamond-League-Finale in Zürich Ende August unterbot sie ihren deutschen Rekord schon einmal um vier Sekunden, beim Istaf in Berlin gelang ihr über die seltener gelaufene Strecke über 2000 Meter sogar eine Weltbestmarke. Das waren Erfolgserlebnisse mit Auswirkung auf Doha. "Das hat mir sehr viel Sicherheit gegeben", sagte sie nun, "manchmal muss einfach so ein Knoten platzen." Das Rennen in Zürich war auch aus taktischer Sicht ein wichtiger Ratgeber: Damals ist sie zum ersten Mal mit einer Geschwindigkeit von drei Minuten pro Kilometer gestartet, ein sehr hohes Tempo. "Zürich hat mir gezeigt, dass ich das kann", sagte Krause.

Und tatsächlich lief Chepkoech dann so schnell vorneweg, dass die Verfolgergruppe von sechs Läuferinnen, Krause auf Rang acht liegend, keinen gemächlichen Start hinlegen konnte. Krause musste wieder so schnell loslaufen wie in Zürich und heftete sich an die Gruppe, verlor mal ein paar Meter, holte wieder auf. "Wenn man dran ist, dann kommt bei mir diese Euphorie", sagte sie, "ich bin jemand, ich stehe gerne im Wettkampf." Die ersten Hindernisse nahm sie noch mit einiger Vorsicht, wurde zum Ende hin mutiger. "Wenn ich merke, dass es der Konkurrenz schlechter geht als mir, dann spornt mich das an." Und der Konkurrenz ging es dann vor allem auf der letzten Runde schlechter als ihr. Vor dem Wassergraben lag Winfred Mutile Yavi noch vor ihr auf dem dritten Rang, doch den Wassergraben beherrscht Krause wie kaum eine andere. "Jeder bringt sein gewisses Talent mit, und ich denke, das ist meins", sagte sie, "ich laufe mit einer höheren Geschwindigkeit auf den Graben zu, habe damit die beste Technik und kann dadurch ein paar Meter gutmachen." Das tat sie und zog an der Frau aus Bahrain vorbei.

Schon bei der WM 2015, als Krause in Peking Bronze gewonnen hatte, war der Sprung über den letzten Wassergraben der Sprung ins Glück gewesen. Und 2017 konnte sie sich hier wenigstens noch auf Rang neun herankämpfen, nachdem ein Sturz sie zu Fall gebracht hatte.

"Laufen ist ein einsamer Sport", hat Krause neulich gesagt. Sie ist permanent unterwegs, das ganze Jahr über in Höhentrainingslagern: Kenia, Südafrika, USA, Schweiz, immer wieder drei Wochen am Stück oder länger. Ende August war sie kurz daheim in Frankfurt, "das fiel mir erst mal total schwer, mich wieder einzufinden, selbständig den Alltag zu meistern". Seit einem Jahr hat sie keinen freien Tag gehabt. "Für mich ist es manchmal die bessere Regeneration, leichte Läufe zu machen als gar nichts", sagte Krause nun in Doha, überhaupt: "Ich werde auch manchmal unausstehlich, wenn ich gar nichts mache." Ihren Eifer weiß Trainer Wolfgang Heinig zu schätzen. Der 68-Jährige feierte schon 1988 als Heimtrainer seiner späteren Frau Katrin Dörre-Heinig im Marathon Olympia-Bronze für die DDR, nach der Wende 1991 WM-Bronze. Er war später Bundestrainer der Sparten Laufen/Gehen sowie Langstrecke/Marathon, machte sich aber bei einigen Athleten aufgrund seiner allzu harten Ansprache unbeliebt. Doch Krause und Heinig haben sich gefunden. "Ich glaube, viele Menschen urteilen über ihn zu schnell, ohne ihn wirklich zu kennen", sagte sie, "er ist wirklich ein Genie, was Trainingsplanung angeht. Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin."

So steht der Plan bis zu den Olympischen Spielen in Tokio auch schon. Wieder viele Wochen Trainingslager, 170 Kilometer läuft Krause pro Woche. Doch für sie ist selbst die Abgeschiedenheit in Afrika keine Entbehrung. Für Ziele müsse man etwas investieren, sagt sie, "das, was dieser Sport mir gibt, diese Emotionen, das macht mich nicht nur als Athletin, sondern auch als Menschen aus".

Auf ihren Urlaub freute sie sich in Doha trotzdem schon, "das, was andere Leute Leben nennen", sie lachte dabei. Einfach mal nichts machen, ohne Plan in den Tag zu gehen. "Das ist jetzt auch schön, wenn man entscheiden kann, was der Geist gerade möchte und nicht, was der Körper gerade braucht."

© SZ vom 06.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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