3:3 gegen Hertha BSC:Werder lebt

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Die Bremer kämpfen sich nach 0:2-Rückstand ins Spiel zurück und wecken Erinnerungen an spektakuläre Zeiten im Weserstadion. Trainer Viktor Skripnik ist sich sicher: "Diese Mannschaft steigt nicht ab."

Von Frank Hellmann

Es ist schon eine ganze Weile her, da galt das Bremer Weserstadion als Ort der allerbesten Fußball-Unterhaltung. Erst Otto Rehhagel und später Thomas Schaaf legten die Grundlage dafür, dass dort, wo die Weser wirklich einen großen Bogen macht, reihenweise spektakuläre Spiele stattfanden. Für die Schwärmereien aus längst vergangenen Tagen war beim SV Werder in der Hinrunde kaum noch eine Partie aufzutreiben - lediglich gegen die damals blutleere Borussia aus Mönchengladbach reichte es am dritten Spieltag zu einem Heimsieg.

Insofern hat Bremen nun im ersten Rückrunden-Heimspiel seinen verblassten Ruf wiederbelebt. Das 3:3 (0:2) gegen Hertha BSC geriet für alle Anhänger der Grün-Weißen letztlich zum Freudenfest, weil die Gastgeber einen eigentlich hoffnungslosen 1:3-Rückstand noch durch zwei Tore von Claudio Pizarro (75. per Foulelfmeter/77.) in ein Remis verwandelten. "Mannschaft und Publikum muss ich ein Kompliment machen", sagte Geschäftsführer Thomas Eichin, "für den Abstiegskampf war das eine wichtige Erkenntnis." Nämlich: Der Standort lebt.

Claudio Pizarro trifft wieder und versetzt Berlin in Schockstarre. Seine zwei Tore sichern den Bremern einen Punkt. (Foto: Nigel Treblin/AFP)

Skripnik ist sich sicher: "Diese Mannschaft steigt nicht ab!"

"Das macht uns Mut. Das hilft für die Moral", konstatierte Trainer Viktor Skripnik, der nach der Pressekonferenz - bei abgeschalteten Kameras - einen angesichts des 16. Tabellenplatzes bemerkenswerten Satz fallen ließ: "Diese Mannschaft steigt nicht ab!" Nicht nur gedanklich setzte der gebürtige Ukrainer noch ein Ausrufezeichen dahinter.

Wie schon beim 3:1 auf Schalke bestärkte das 3:3 gegen Hertha die Erkenntnis, dass sich sein Team von Rückständen nicht mehr so leicht aus der Bahn werfen lässt. "Solche Spiele brauchen wir: Das ist Sport, das ist Emotion", befand Dauerläufer Zlatko Junuzovic, der genau wie Kapitän Clemens Fritz den entscheidenden Punkt herausstrich, der Werder im neuen Jahr besser gemacht hat: "Wir können von der Bank reagieren."

Pizarro gibt den Spielmacher

Diesmal war es Fin Bartels, der nach einer Einwechslung und Umstellung - der spätere Doppeltorschütze Pizarro rückte auf die Spielmacherposition - mit einem beherzten Solo den Anschlusstreffer schoss (67.). Und auch nach dem 1:3 von Salomon Kalou (71.) ließ sich das Heimteam nicht unterkriegen. Auch weil der ungarische Neuzugang Laszlo Kleinheisler in die Partie kam. Der "giftige Junge" (Eichin) bestach durch aggressive Zweikampfführung und großen Eifer. "Die Neuen kommen rein und verbessern uns", lobte Skripnik, "das hat uns in der Hinrunde gefehlt."

Zudem haben sich die Hanseaten in der Innenverteidigung verstärkt: Bestätigt der von Chelsea ausgeliehene Papy Djilobodji die Eindrücke seiner ersten 180 Bundesliga-Minuten, dann hat Werder von der Stamford Bridge einen Akteur erhalten, der weiterhilft. Der 27-Jährige trumpfte abgeklärt und souverän auf - und ist im Spielaufbau dem nach China abgegebenen Assani Lukimya mindestens eine Klasse überlegen. "Wir hatten ihn bereits im Blick, als er noch in Nantes gespielt hat", erklärte Eichin zum Deal mit dem senegalesischen Nationalspieler. Überdies verriet er, dass Werder auch ein unmoralisches Angebot für Torjäger Anthony Ujah aus China bekommen habe, doch der Nigerianer sei "lebenswichtig", deswegen habe man sofort abgelehnt. "Das wäre ein ganz schlechtes Zeichen gewesen."

Tatsächlich holte Ujah ja am Samstag den Elfmeter heraus, der zum ersten Pizarro-Tor führte, ehe das peruanische Schlitzohr nach Kopfball von Santiago Garcia den Ball noch über die Linie wischte. Überglücklich war auch Werder-Torwart Felix Wiedwald. Sowohl beim Fernschuss von Vladimir Darida zum 0:1 (29.) als auch beim Freistoß von Marvin Plattenhardt zum 0:2 (41.) hatte er keine glückliche Figur abgegeben. Er müsse sich die Szenen gar nicht erst ansehen, räumte der Schlussmann ein, "das muss ich mir ankreiden lassen".

Berlins Marvin Plattenhardt kann es nicht fassen. Er hatte noch die 2:0-Führung geschossen und dann gab die Hertha den Sieg gegen Bremen aus der Hand. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Berlin ist defensiv ungewohnt anfällig

Ähnlich verstimmt wie Bremens Keeper machten sich auch einige Berliner Profis auf die Heimfahrt. Vor allem die ungewohnte defensive Anfälligkeit - zuvor hatte Hertha im Schnitt genau ein Gegentor pro Partie kassiert - schmeckte Verteidiger Sebastian Langkamp nicht: "Wir fangen uns beim ersten Gegentor einen 50-Meter-Konter. Das geht gar nicht. Wir haben Werder doch erst stark gemacht."

Auch Mittelfeldmann Per Skjelbred, der lange in der zentralen Zone im Dreieck mit Darida und Fabian Lustenberger Ball und Gegner laufen ließ, konnte es nicht fassen, wie fahrig seine Mannschaft in der Schlussphase auftrat: "Wenn nur noch eine Viertelstunde zu spielen ist und man 3:1 führt, dann muss man ruhig bleiben und nicht hektisch werden." Es hörte sich im Hertha-Lager ganz so an, als sei die Verwandlung in eine Spitzenelf doch noch nicht vollzogen. Nur Trainer Pal Dardai wollte in die kritische Tonlage nicht einstimmen. "Wir nehmen auch einige positive Sachen mit. Bremen hat mit großer Leidenschaft gespielt, wir müssen den Punkt so hinnehmen", sagte der Ungar, um dann mal aus Sicht des neutralen Zuschauers zu urteilen: "Es war ein geiles Spiel." Ganz so wie früher so oft in Bremen.

© SZ vom 31.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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