Die Telefonnummer von Ramil Gulijew hatte Recep Erdoğan gleich parat. Der Sprinter steckte noch im Siegerdress, mit dem er in London Weltmeister über 200 Meter geworden war, in 20,09 Sekunden. Er war der erste Welttitel für einen türkischen Leichtathleten, und dann rief prompt der Staatspräsident an. "Das ist ein großer Erfolg für unser Land", habe Erdoğan ihm gesagt, "du hast Geschichte geschrieben und machst uns so glücklich." Gulijew stand noch zwischen den Kamerastationen, er war jetzt ein gefragter Mann. Der Goldgewinner der letzten acht Jahre hieß schließlich Usain Bolt.
Gulijew ist mit Bolt schon das Finale 2009 in Berlin gelaufen; als der Jamaikaner Weltrekord lief, wurde er Siebter. Für Aserbaidschan. Dort ist er geboren, 2011 wechselte er die Nationalität. "Ich habe große finanzielle Unterstützung bekommen", erklärte der 27-Jährige; sein monatlicher Verdienst sei so hoch wie das Jahresgehalt in Aserbaidschan. Angebote aus Katar lehnte er ab, weil er in der Türkei "keinen Unterschied in Kultur und Sprache" zu seinem Heimatland spüre. Die Dopinghistorie der Türkei ist in den vergangenen Jahren immer weiter gewachsen. Ein Umstand, der Gulijew nicht störte. "Jeder ist für sich selber verantwortlich", sagt er.
Die Finanzkraft der Türken hat sich rumgesprochen, bei der EM 2016 gewann man zwölf Medaillen, zwei davon erreicht von gebürtigen Türken. "Wir müssen die Regeln strenger und transparenter machen", sagte Sebastian Coe nun, Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF. In London starten auch Athleten aus Kenia, Äthiopien, Kuba und Jamaika unter türkischer Flagge. Stets bereit für Anrufe von Erdoğan.