Kommentar:Der nächste Akt im Dramolett

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Von Thomas Kistner

Das juristische Gezerre um Griechenlands zwielichtige Nationalhelden Kenteris und Thanou wächst sich zu einer eigenen Disziplin aus, dem olympischen Schattenboxen. War bisher das beredte Schweigen der hellenischen Funktionäre und Veranstalter zu beklagen, speziell im Hinblick auf einen Unfall, zu dessen glaubwürdiger Darstellung es noch einiger Tage Vor-, oder genauer: Nachbereitung bedarf, so belastet nun erstmals die zögerliche Verfahrensweise des IOC die Spiele.

Dass Kommissionschef Thomas Bach die Menschenrechte bemühen muss, um den Aufschub der Athleten-Anhörung zu begründen, zeigt vor allem, wie groß die Furcht vieler Olympier vor dem Urteilsspruch ist, der nun eben am Mittwoch zu erfolgen hat: Der Ausschluss zweier schwerstbelasteter Athleten wegen würdelosen Verhaltens - denn positive Proben der Schützlinge des Tricksers Christos Tsekos gibt es ja wieder einmal nicht. Als sie nach dem im Olympiadorf verpassten Test wieder auftauchten, lagen sie im Krankenhaus und dort, hurra, an irgendwelchen Infusionen.

Wenn nun die Verlängerung der Verlängerung des Anhörungsverfahrens als letzte Grußadresse ans Gastgeberland gedacht war, so ist der höflichen Bach-Kommission zu erwidern: Es sind jetzt die Griechen selbst, die unter jedem Akt leiden, der diesem Dramolett hinzugefügt wird.

Wenn schon Staatschef und Sportminister die Läufer als nationale Schande bezeichnen und den sofortigen Ausschluss fordern, wenn der Justizminister Ermittlungen prüft wegen Verunglimpfung des Vaterlandes, wenn Schwedens Athleten ihren Auszug aus dem Olympiadorf androhen - dann könnte sich auch das IOC an eigene Fundamentalwerte erinnern, die ja in der Olympischen Charta festgeschrieben sind. Gedopt oder nicht, die Frage ist marginal geworden im Prozess um ein windiges Athletengrüppchen, das prinzipiell nie zu fassen ist und stets unglaubliche Verkettungen von Zufällen als Beleg für die eigene Unschuld ins Feld führt.

So bleibt den Spielen ein Begleitprogramm erhalten, dass sich als olympischer Bildungskurs eignet. Was vor den bunten Kulissen abläuft, überträgt auch weiterhin das Fernsehen, das hier enormes Geld verpulvert hat - die Wirklichkeit aber spielt sich in den vielen Sitzungssälen der Sportfunktionäre ab. Man sollte es künftig im Bildungskanal ausstrahlen - vermutlich liegt hier die Zukunft der Einschaltquoten.

© Süddeutsche Zeitung vom 17.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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