Amateurfußball:Sehnsuchtsort Ruhrgebiet

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Zuletzt zwei Jahre bei Angthong FC in Thailand, jetzt zurück im deutschen Fußball: Reiner Maurer, früherer Trainer von 1860 München. (Foto: Imago)

Bayernliga-Tabellenführer SV Türkgücü-Ataspor plant dank Investor Kivran für die Regionalliga - und für mehr.

Von Christoph Leischwitz

In der Nordstaffel der Fußball-Bayernliga herrscht noch Spannung um den direkten Aufstiegsplatz, im Süden ist sie schon seit Monaten raus. Und ganz im Gegensatz zum Norden, wo in Aubstadt aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld oder Gebenbach aus der Nähe von Amberg ein ländlicher neuer Teilnehmer zu erwarten ist, stößt aus dem Süden ein Traditionsklub in die Regionalliga vor, der vor gar nicht allzu langer Zeit schon einmal drittklassig spielte. Rein rechnerisch fehlen dem SV Türkgücü-Ataspor zwei Punkte zum Aufstieg, eine Formsache. Die Planungen für die höchste Amateurklasse laufen schon seit Längerem auf Hochtouren. Und der Verein geht dabei schon äußerst professionell zu Werke.

Der Vereinsname ist eigentlich in mehrfacher Hinsicht irreführend. Mit dem SV Türk Gücü aus den 1990er Jahren hat der heutige Verein so gut wie nichts mehr zu tun. Damals war der Klub Sprungbrett für zahlreiche ausländische Spieler, zum Beispiel für den seinerzeit völlig unbekannten Cacau. Nun gut, geführt wird der Verein auch diesmal wieder von einem umtriebigen türkischen Geschäftsmann. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit 2016 hatte Hasan Kivran angekündigt, den Landesligisten in die dritte Liga führen zu wollen, seitdem ist der Kader jedes Jahr nicht mehr wieder zu erkennen, Türkgücü dominierte als Aufsteiger die Bayernliga und marschierte durch. Geldsorgen hat der Verein nicht gerade, es kursieren Investorennamen, die auf ein langfristiges Engagement schließen lassen. Gegenüber einem Vertreter des TSV 1860 soll Kivran auch schon gesagt haben, bei den Löwen müsse man aufpassen, nicht von Türkgücü überholt zu werden.

Auf der Ebene der sportlichen Leitung ist der Verein eine Art 1860-Spinoff. Reiner Maurer, 59, früher sechs Jahre Spieler und vier Jahre Cheftrainer beim TSV 1860 München, wird im Sommer Andreas Pummer als Cheftrainer ablösen. Robert Hettich war früher Pressesprecher der Löwen. Seine offizielle Bezeichnung bei Türkgücü lautet Kaderplaner. Er kennt sich gut aus in der Regionalliga, von 2016 bis 2018 arbeitete er in ähnlicher Funktion für Wacker Burghausen. Gemeinsam bereiten sie sich akribisch auf die kommende Saison vor. Hettich beobachtet die Liga, er schlägt Maurer neue Spieler vor, der beobachtet sie dann auch noch einmal. Seit ein paar Wochen gibt der Verein häppchenweise Verpflichtungen bekannt. Aus Eichstätt kommt Abwehrspieler Thomas Haas, aus Schweinfurt und aus Burghausen die Mittelfeldspieler Dominik Weiß und Stefan Wächter, aus Pipinsried der Angreifer Marian Knecht. Es ist davon auszugehen, dass noch deutlich mehr Verpflichtungen bekannt gegeben werden, zumal auch erst mit fünf Spielern des aktuellen Kaders verlängert wurde. Laut Hettich besteht die Zielgruppe aus Spielern, die eine Bindung zu München haben, die Zeit haben, sechs Mal die Woche zu trainieren, und "wo wir das Potenzial sehen, dass sie sich noch verbessern", so Hettich. So wird man auf namhafte Profis verzichten, die man sich wohl sogar leisten könnte. Hettich meint jedoch, dass es auch in der kommenden Saison Vereine in der Liga mit einem höheren Etat geben werde als jenem der Münchner.

Türkgücü gilt als dritte Münchner Fußballkraft, was dem Verein allerdings fehlt, ist Identifikation und eine feste Heimat. Präsident Kivran träumt zwar davon, eines nicht allzu fernen Tages in den Drittliga-Stadien der Republik oft einen Heimvorteil zu genießen, beispielsweise im Ruhrgebiet mit einem hohen Anteil an türkischstämmigen Fußballfans. In München selbst ist das Interesse bislang allerdings mau. Zurzeit spielt die Mannschaft auf dem Gelände des Regionalligisten Heimstetten, im Schnitt kommen 200 Zuschauer. Für die kommende Spielzeit hat der Verein der Stadt München einen Kompromiss abgerungen: Bis zur Winterpause spielt die Mannschaft weiter beim SVH, nach der Winterpause darf sie für eine knappe Halbsaison ins Grünwalder Stadion.

Davon erhofft sich Kivran einen Aufmerksamkeitsschub. Aber schon für 2020/21 muss dann wieder aufs Neue verhandelt werden. Sollten die Sechziger, der FC Bayern II und Türkgücü irgendwann gleichzeitig im Profifußball spielen, würde das in München ganz grundsätzliche Fragen aufwerfen, weil nicht alle drei gleichzeitig im Grünwalder Stadion spielen könnten: die Frage, ob die Stadt auch einen großen Fußball-Etat hat. Und Platz für ein weiteres Stadion.

© SZ vom 24.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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