1860 München:Zu grün

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Bei der Niederlage gegen Bochum funktioniert das Zusammenspiel mit Spielmacher Liendl noch unzureichend. Trainer Fröhling ruft eine Übergangssaison aus.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Ziemlich geknickt stand Gary Kagelmacher in der Mixed Zone des Bochumer Stadions, im untersten Geschoss, in dem es aussieht wie in den Gängen einer alten Turnhalle. "Wir trainieren gut, wir spielen gut", sprach der Rechtsverteidiger des TSV 1860 München, "und alles für nix. Das tut weh." In der Tat war mal wieder nix auf dem Konto nach dem Montagabend in Bochum - die Löwen hatten eine gute erste Hälfte beim Tabellenführer gezeigt und eine mäßige zweite, am Ende stand es 0:1. "Klar waren die Bochumer ein bisschen besser in der zweiten Halbzeit", sagte Kagelmacher, "aber wenn wir vorher ein Tor machen, ändert sich alles."

Sie machten es nicht, und nichts änderte sich. Trainer Torsten Fröhling sprach von einem "schnellen, packenden, richtig guten Zweitligaspiel gegen den stärksten Gegner, den wir bisher hatten", aber am Ende blieb ihm auch nur diese Erkenntnis: "Das Problem ist einfach, dass wir die Tore nicht machen." Und dafür ermöglichten sie den Bochumern eines - bei Teroddes Traumschuss gefiel Fröhling die Entstehung ganz und gar nicht. "Es war eine super Einzelaktion. Aber nach dem Einwurf zuvor waren wir in Überzahl und haben dort nicht zugepackt. Das müssen wir uns einfach ankreiden." Mit solcherlei schusseligem Verhalten verhalte es sich nämlich "ähnlich wie mit unserem Trikot: eigentlich ist es zu grün für uns."

Fassungslos im neuen Auswärtstrikot: Daniel Adlung probte beim 0:1 in Bochum erstmals das Zusammenspiel mit Michael Liendl, dem neuen Spielmacher. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Auf den Positionen von Wittek und Wolf seien "ganz bewusst" keine Spieler geholt worden

Die schönen neuen Auswärtsleibchen in Löwengrün hatten Sechzig ebenso wenig geholfen wie der neue Spielmacher Michael Liendl, von dem die Löwen in Bochum erstmals Pässe bezogen. Liendl war stets anspielbar und wurde auch stets angespielt. Das Bemühen, die Fäden zu ziehen, war auf Anhieb zu sehen. Als Zehner sieht er sich wahrlich, und tatsächlich gelang ihm auch das eine oder andere schöne Zuspiel, wie etwa vor Kagelmachers großer Chance (37.). Etliche Pässe Liendls landeten allerdings auch im allzu freien Raum oder beim Gegner, was Fröhling ihm nicht vorwerfen wollte, da sich seine Spielkameraden auf dem Feld in den kommenden Wochen auch erst gewöhnen müssten an die Ideen des Österreichers. Wohl deshalb nahm ihn der Trainer nach einer guten Stunde für einen zweiten Stürmer, Stefan Mugosa, vom Feld, was das Spiel allerdings nicht besser machte.

Zwei Stunden bevor die Münchner am Montag das Bochumer Stadion betraten, war auch die sommerliche Transferperiode zu Ende gegangen. Die Spieler, die nun da sind, sind also diejenigen, mit denen die Löwen bis zum Winter zurecht kommen müssen. Und wer nun dachte, der stets ehrliche Fröhling würde einem in der Trainerbranche nicht unüblichen Reflex folgen und die mangelhafte Punkteausbeute (zwei Punkte aus fünf Spielen) auch damit begründen, dass die sportliche Leitung den Kader im Sommer nicht ausreichend verstärkt (wenn nicht gar ausgedünnt) hat, der sah sich getäuscht. Er selbst habe sich "dagegen entschieden", einen weiteren Stürmer zu verpflichten, sagte Fröhling am Dienstag: "Was soll ich einen Stürmer holen, der anderen Spielern den Weg verbaut, die wir in den nächsten Jahren voranbringen wollen?" Es gehe in diesem Jahr darum, "eine Aufbausaison zu spielen, so schnell wie möglich 40 Punkte zu haben und die jungen Spieler einzubauen". Deshalb seien auch für die Positionen von Maximilian Wittek (Linksverteidiger) und Marius Wolf (linker Flügel) "ganz bewusst" keine neuen Spieler geholt worden. "Wenn sich noch zwei, drei Spieler verletzen, dann können wir im Winter nachlegen. Aber eigentlich wollen wir das nicht." Möglicherweise erklärt sich Fröhlings erstaunliche Loyalität, die einer durchaus ebenfalls zart grün finden könnte, auch damit, dass er auf einen branchenungewöhnlichen Schulterschluss mit seinen Vorgesetzten hofft. Auf die Frage, ob denn nicht schon nach einer Niederlage im anstehenden Spiel gegen Düsseldorf die Unruhe im Verein den kritischen Punkt überschreiten könnte, sagte er: "Wir müssen im inneren Kreis gefestigt sein."

Jener innere Kreis eben, der sich bei Sechzig für den vergleichsweise kostengünstigen Weg entschieden hat, verstärkt auf den eigenen Nachwuchs zu setzen. Zum inneren Kreis gehört auch Noor Basha, der Cousin des Mehrheitsgesellschafters und Finanziers Hasan Ismaik, der als Geschäftsführer gemeinsam mit Markus Rejek auch den Sport und die Transfers verantwortet. Kein Zufall ist sicher auch, dass Ismaik zuletzt bei seinem Besuch in München die gute Arbeit im Nachwuchsleistungszentrum gelobt hat.

Umso ärgerlicher ist aus Sicht des inneren Kreises die ausstehende Vertragsverlängerung von Wolf, da ja für dessen Planstelle tatsächlich keine Alternative erworben wurde. Fröhling hatte den 20-Jährigen, dessen Berater dem Vernehmen nach auf eine niedrig budgetierte Ausstiegsklausel pocht, vor dem Spiel in Bochum aus dem Kader gestrichen. Weil er "im Kopf nicht frei" sei. Und das Problem in Wolfs Haupt und mit dessen Suspendierung könnte offenbar noch länger andauern. Fröhling sagt: "Solange er nicht unterschreibt, hat er den Kopf nicht frei."

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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