1860 München:Planspiele für den Absturz

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1860 erwägt bei einem Erstliga-Abstieg den Verkauf Benjamin Lauths und eine gelegentliche Rückkehr ins Grünwalder Stadion. Der stehen aber einige Hindernisse im Weg.

Von Gerald Kleffmann

Es war keine Überraschung für Detlef Romeiko. "Wir haben nicht wie der Hase vor der Schlange gezittert", sagt der Geschäftsführer des TSV 1860 München. Gelassen hat er gestern den Brief der Deutschen Fußball Liga (DFL) gelesen, der das erwartete Ergebnis mitteilte: Die Löwen haben die Lizenz für die kommende Saison erhalten.

Für die Erste und für die Zweite Liga. Zwar mit Auflagen, aber "es gibt kaum einen Verein, der diese nicht hat", sagt Romeiko. Erheblich mehr beunruhigen ihn die Folgen, falls 1860 absteigen sollte. Dies ist gut möglich. Als 15. der Tabelle ist der Verein nur einen Punkt vom ersten Abstiegsrang entfernt.

Und in den restlichen fünf Spielen warten schwierige Gegner, am Sonntag steht das Derby gegen den FC Bayern an, eine Woche später kommt Leverkusen. "Die Einschnitte im Etat wären enorm", gibt Romeiko zu. Nach all den Skandalen und Skandälchen im Verein würde die nächste Krise auf der Agenda stehen: Wie sehr stürzt 1860 finanziell ab?

"Finanziell muss man dann sehr kämpfen"

"Als Faustformel gilt: Die TV- und Sponsoreinnahmen würden um etwa 50 Prozent sinken", erklärt Romeiko. Der Etat in Millionenhöhe müsste um die Hälfte reduziert werden, 1860 massiv sparen und versuchen, fehlende Einnahmen zu kompensieren. Romeiko leugnet nicht, welche begrenzten Möglichkeiten der Klub hat.

"Finanziell muss man dann sehr kämpfen", sagt er und bestätigt erstmals offiziell von Vereinsseite aus: "Ob man Benny Lauth halten kann, wird fraglich sein." Benjamin Lauth, mit fast einer Million Euro Jahresgehalt bestbezahlter Löwe, wäre wohl der erste Profi, der zur Disposition stünde.

Aber nicht der einzige. "Spielerverkäufe wären auf jeden Fall ein Thema", betont Romeiko, der hofft, dass einige Spieler bei einem Abstieg in die zweite Liga trotz verschlechterter Bezüge blieben.

Für noch mehr Unruhe als der Verkauf des Publikumlieblings Lauth könnte Romeikos zweite Überlegung in München sorgen. "Man muss schon mal überlegen, ob man mal ins Grünwalder ausweicht", sagt er. Das Grünwalder Stadion war jahrzehntelang die Heimat des TSV 1860, ehe der Klub Mitte der Neunziger ins Olympiastadion umzog.

Viele treue Anhänger fühlten sich dadurch entwurzelt und verraten, noch heute arbeitet eine Fraktion aktiv auf eine Rückkehr ins alte Stadion hin. Bisher vergebens, bis auf ein Gastspiel im UI-Cup vor drei Jahren spielte 1860 im Olympiastadion.

Wieso der Verein nun anders denkt, begründet Romeiko so: "Nehmen Sie mal an, wir spielen in einem DSF-Livespiel am Montagabend vor 3500 Zuschauern im Olympiastadion - das tut schon weh." Im Grünwalder Stadion, so viel steht fest, wäre die Stimmung deutlich besser, bliebe nur die Frage: Ist eine Rückkehr, und sei sie nur gelegentlich, überhaupt möglich? Ja und nein.

Hindernisse für ein Comeback des Grünwalder Stadions

Ja, weil der Rasen intakt ist, er wird ständig gepflegt. Die Amateurteams der Löwen und der Bayern bestreiten im Grünwalder Stadion regelmäßig ihre Heimspiele. Nein, weil die Anlage nach dem jetzigen Stand nicht den Richtlinien des Profifußballs entspricht. Seit sechs Jahren wurde nichts renoviert, die Mauern, Stufen und Sitzplätze sind porös und renovierungsbedürftig.

Die Westkurve ist aus Sicherheitsgründen komplett gesperrt, im Presseraum muss man den Kopf einziehen, so niedrig sind die Decken gebaut. Parkplätze gibt es nicht. Um den Bauauflagen der DFL gerecht zu werden, müsste vieles modernisiert werden, was teuer werden dürfte.

"Eine sechsstellige Summe ist da ganz schnell zusammen", sagt Rudolf Behacker, der Sportamtsleiter München; das Grünwalder Stadion ist im Besitz der Stadt, die bisher für jegliche Kosten rund um die alte Arena aufkam. Sollten die Löwen eine Rückkehr samt Modernisierungsmaßnahmen erwägen, streikt aber Behacker: "Erst einmal wäre ein Gutachten notwendig. Und dann müsste man sich über die Höhe und Verteilung der Kosten unterhalten", sagt er. Heißt: 1860 müsste mitfinanzieren. Bei der klammen Lage des Vereins wäre jedoch sehr fraglich, ob der TSV das kann.

Ein weiteres Hindernis wäre ein Vorstandsbeschluss aus der Ära Wildmoser, der besagt: Die Löwen bestreiten alle Heimspiele im Olympiastadion und ab 2005 in der Allianz-Arena. Sollte dieser Beschluss gekippt werden, folgt das nächste Dilemma: Wann sollten die Löwen ins Grünwalder Stadion zurückkehren? Behacker erklärt, dass es wohl frühestens ab übernächster Saison ginge, denn das Lizenzierungsverfahren für die kommende Saison wurde ja gerade erst durchgeführt. 1860 hätte darin bereits das Grünwalder Stadion als potenziellen Spielort angeben müssen.

Noch ist vieles Spekulation, 1860 nicht abgestiegen. "Wir hoffen das Beste", sagt Romeiko. Die Auflagen der DFL? Kein Problem, sagt er. Erstens müsse man die Jahresabschlussbilanz im Oktober (zum 30. Juni 2004) vorlegen, zweitens verlangt die DFL eine "gläserne Buchführung" (Romeiko), einen monatlichen Soll-Ist-Vergleich von Einnahmen und Ausgaben.

Romeiko sagt: "Die DFL kann dann bei Abweichungen von den Planzahlen reagieren." Und: "Es gibt Vereine, die froh wären, unsere Auflagen zu haben." Um den Rest beneidet 1860 gerade niemand.

© SZ vom 21.4. 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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