1860 München:Mitteilung der unangenehmen Art

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1860-Profi Nemanja Vucicevic trübt mit einem Dopingbefund die Freude über die Tabellenführung des TSV. Der Spieler hatte ein Haarwuchsmittel eingenommen, ohne den Verein zu informieren. Es drohen empfindliche Strafen. Von Christian Zaschke

Mit ernster Miene betrat Roland Kneißl, Geschäftsführer des TSV 1860 München, am Sonntagabend das Podium in der Arena. Eben hatte der TSV 1:1 (0:1) gegen Erzgebirge Aue gespielt, nun gebe es noch "eine Mitteilung der unangenehmen Art". Diese besagte, dass Mittelfeldspieler Nemanja Vucicevic bei einer Dopingkontrolle positiv auf den Wirkstoff Finasterid getestet worden ist. Die Probe war nach der Partie bei Wacker Burghausen vor zwei Wochen entnommen worden. Der TSV 1860 hatte das Spiel 2:0 gewonnen, Vucicevic war in der 74. Minute eingewechselt worden.

Himmel hilf: Nemanja Vucicevic könnte gesperrt werden, 1860 München Punkte verlieren. (Foto: Foto: dpa)

Der Wirkstoff Finasterid ist im Haarwuchsmittel Propecia enthalten. Laut Klubarzt Willi Widenmayer hat Vucivevic das Mittel ohne Wissen des Vereins eingenommen. Es sei ihm von einem Hautarzt verschrieben worden, er habe es mit einem Rezept in der Apotheke erworben und unregelmäßig angewandt. Die Unregelmäßigkeit erkläre auch, warum eine Probe von Vucicevic vom siebten Spieltag, entnommen nach der Partie gegen Braunschweig, negativ ausgefallen sei. Am vergangenen Freitag habe der Verein nun von der positiven Probe erfahren, sagte Kneißl. Auf die Öffnung der B-Probe habe man verzichtet.

Finasterid ist nicht leistungsfödernd, steht jedoch als maskierendes Mittel auf der Dopingliste - also als Mittel, das die Einnahme leistungssteigernder Substanzen verschleiern könnte. Es ist im Klub üblich, dass alle Substanzen, die Spieler einnehmen, mit den Klubärzten abgesprochen werden. Dies sei in diesem Fall nicht passiert. "Einen größeren GAU für die medizinische Abteilung gibt es nicht", sagte Widenmayer. Er bezeichnete den Fall als Dummheit des Spielers, der, da das Medikament von einem Arzt verschrieben worden sei, es ohne Sorge eingenommen habe.

Freundin nicht mit der Glatze einverstanden

Kneißl berichtete, der Spieler sei am Samstag bei ihm zu Hause gewesen; Vucicevic sei am Boden zerstört, verstehe die Welt nicht mehr. Präsident Karl Auer sagte: "Bei Gewichthebern oder Radfahrern geht es um Leistungssteigerung. Bei Vucicevic ging es um die Schönheit." Diese Sichtweisen gehen davon aus, dass der Spieler das Mittel nicht eingenommen hat, um die Einnahme anderer Mittel zu verschleiern.

Ob das so ist, kann einstweilen nicht zweifelsfrei geklärt werden. Vucicevic hat jedoch tatsächlich Haarwuchsprobleme; zuletzt hatte er sein spärlicher werdendes Haar vollständig abrasiert und trug eine Glatze. Diese Glatze, so war zu hören, hatte jedoch nicht die Zustimmung seiner Freundin gefunden. Laut Vereinsarzt Widenmayer sei Vucicevic mit seiner Freundin gemeinsam bei dem Arzt gewesen, der das Medikament verschrieben hat.

Unklar ist, welche Folgen der Fall für Verein und Spieler hat. Die entsprechenden Statuten sind erst zum ersten Oktober dieses Jahres geändert worden. Nach alter Regelung hätte der TSV 1860 die Punkte aus der Partie gegen Burghausen in jedem Fall verloren. Nach Auskunft von Rainer Koch, dem Vorsitzenden des DFB-Sportgerichts sowie des Bayerischen Fußballverbandes, ist gemäß der neuen Regelung völlig offen, wie mit der Wertung verfahren wird.

Möglich sei, dass alles beim alten bleibt, dass es ein Wiederholungsspiel gibt, dass die Partie für Burghausen gewertet wird oder auch einseitig dem TSV 1860 die Punkte aberkannt würden. Sportrichter Koch wird in dem Verfahren nicht den Vorsitz übernehmen, da es um einen bayerischen Verein geht, was mit seiner Funktion als Präsident des bayerischen Fußballverbandes nicht vereinbar sei. Wegen der Statuten-Änderung können ähnlich gelagerte Fälle keinen Aufschluss über das anstehende Verfahren geben. "Es wird ein juristisch eigenständiger Fall sein", sagte Koch. Offen ist auch, wie die Strafe für Vucicevic aussieht.

Punktabzug hätte fatale Folgen

Von dem Dopingfall wurde das Zweitligaspiel der Sechziger am Sonntag vollkommen in den Hintergrund gedrängt. Das 1:1 (0:1) vor knapp 52000 Zuschauern gegen Erzgebirge Aue bedeutet, dass der TSV zumindest bis Montagabend an der Tabellenspitze der zweiten Liga steht. Durch den Dopingfall ist jedoch fraglich, dass diese Tabellenführung etwas wert ist, da es ja gut möglich ist, dass dem Verein drei Punkte aberkannt werden - dann stünde der TSV 1860 nicht einmal mehr unter den ersten sechs.

Spielerisch hatten die Münchner jedenfalls nicht wie ein Tabellenführer gewirkt. Aue war lange überlegen, die Führung durch Ersin Demir (36.) erschien nur konsequent. Erst nach einer Stunde kamen die Sechziger besser ins Spiel, Jiayi Shao erzielte den Ausgleich (68.), anschließend begann der TSV einen Sturmlauf, der jedoch nicht zum Erfolg führte. Trainer Reiner Maurer sagte: "In der ersten Stunde haben wir gespielt, als hätten wir Blei zu Mittag gegessen." Blei ist immerhin so wenig leistungssteigernd, dass es nicht auf der Dopingliste steht.

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