1860 München:Im Vakuum des alten Patriarchen

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Seit dem erzwungenen Rückzug von Karl-Heinz Wildmoser tobt bei 1860 ein Machtkampf. Ein Problem ist die Satzung des Vereins.

Ein Kommentar von Markus Schäflein

In einem Land vor unserer Zeit war beim TSV 1860 München alles ganz einfach: Präsident Karl-Heinz Wildmoser bestimmte, was zu geschehen hatte, der Geschäftsführer war nur ein willfähriger Erfüllungsgehilfe des Präsidenten. Nach dem Abschied des Patriarchen blieb beim TSV 1860 ein entsprechendes Machtvakuum - ein egozentrischer Präsident wurde ausdrücklich nicht mehr gesucht, und in diese freie Lücke stieß der Geschäftsführer Stefan Ziffzer, ein ausgewiesener Zahlenexperte, ein Machtmensch mit napoleonhaften Zügen und mindestens ungewöhnlichen Methoden.

Einst der starke Mann, der Widersacher nicht duldete: Karl-Heinz Wildmoser. (Foto: Foto: dpa)

Dann jedoch trat mit Albrecht von Linde - zum ersten Mal nach Wildmoser - ein machtbewusster Präsident auf, der Ziffzer in die Quere kam. Denn er kann Ziffzers Kurs - eisernes Sparen im sportlichen Bereich, um die hohen Arena-Mieten zu sichern - gegenüber seiner Klientel von der Fanorganisation Pro 1860 auf Dauer nicht vertreten.

Abmahnungen und Maßregelungen

Der Nährboden dieses Machtkampfs im Verein ist die Satzung des TSV 1860, die für einfache Wahrheiten und klare Hierarchien konzipiert ist. Das Verhältnis zwischen Präsidium und Geschäftsführung ist noch immer nicht detailliert geregelt, wie der am Mittwoch entnervt zurückgetretene Vizepräsident Otto Steiner zum Abschied noch einmal beklagte. Zu Zeiten Wildmosers war eine solche Regelung nicht notwendig - jetzt aber wäre sie dringlich.

Das Präsidium wählte zuletzt als Druckmittel auf den Geschäftsführer Ziffzer als Stilmittel schriftliche Abmahnungen und öffentliche Maßregelungen. Abgesehen von Ziffzers Aussetzer mit seinem vorgetäuschten Rücktritt und sonstigen Aspekten seiner Außendarstellung kam dabei inhaltlich jedoch nichts Substanzielles herum. Den Vorwurf, die Sanierung gehe nicht schnell genug voran und Ziffzer müsse erst mal seine handwerklichen ,,Hausaufgaben'' erfüllen, hat Präsident von Linde bis heute nicht mit Fakten belegt.

Steiners geheime Wünsche

Nun will sich von Linde den Unternehmer Hans Hee als neuen Vize ins Boot holen, der ebenfalls ein ausgewiesener Pro 1860-Mann ist. Kommt Hee durch, wäre der Graben zwischen Präsidium und Geschäftsführer vermutlich tiefer als je zuvor. Von neun Aufsichtsräten sind allerdings nur vier ausdrücklich dieser Gruppe verpflichtet. Das Szenario, das sich Otto Steiner nach seinem Rücktritt insgeheim gewünscht hat, ist daher nicht unwahrscheinlich: Präsident von Linde schlägt Kandidat eins (Hee) vor, Aufsichtsrat lehnt ab, Präsident schlägt Kandidat zwei vor, Aufsichtsrat lehnt wieder ab - und das Präsidium wird aufgelöst.

So sieht die Satzung das vor. Sie stammt zwar aus einer Zeit, in der es undenkbar war, dass sich der Aufsichtsrat gegen den damals allmächtigen Präsidenten stellen würde. Aber auch diese Zeit ist vorbei beim TSV 1860 München.

© SZ vom 13.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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