1860 München:Deutschermeisterpokalsiegerbesieger

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Im dritten Eröffnungsspiel der Münchner Allianz Arena bezwingt der TSV 1860 im Münchner Derby die zweite Garnitur des FC Bayern und lässt sich in seinem Jubel vom FC St. Pauli inspirieren.

Von Thomas Hahn

Auf die Zukunft ist in manchen Angelegenheiten durchaus Verlass, und so ist es bestimmt kein Wagnis zu behaupten, dass sich auf der teppichebenen Rasenbühne des neuen Münchner Fußballhauses noch spannendere Schauspiele zutragen werden als jene kleine Komödie, welche die stolzen Stadionbauer TSV 1860 und FC Bayern München am gestrigen Donnerstagabend mit zwei eigenwillig besetzten Formationen zur Aufführung brachten.

Löwen-Jubel vor der Fankurve. Ganz rechts Siegtorschütze Paul Agostino. (Foto: Foto: ddp)

Und doch konnte man von diesem Abend eine kleine Botschaft mit nach Hause nehmen, die abzulesen war von den dichtbesetzten Rängen der Allianz-Arena: Der Reiz des Neuen setzt die Menschen in Bewegung, wie sonst könnte es sein, dass dieser ganze Einweihungsreigen der vergangenen Tage mit drei Spielen plus einem Altherren-Derby als Prolog nicht die geringsten Ermüdungserscheinungen beim regionalen Fußball-Publikum hervorgebracht hat.

64.000 Besucher kamen, beschwingt wippten sie im Rhythmus der Vereinshymnen und unterlegten die Szenerie ausdauernd mit ihrem Gesang. Wahrscheinlich hätten die beiden Klubs auch ihre F-Jugend-Teams zwischen die Kreidelinien schicken können, ohne eine Karte weniger zu verkaufen. Und die Geduld der Kundschaft scheinen die neuen Mauern obendrein zu fördern, denn die Partie bot genauso viel, wie man sich vorher von ihr versprechen durfte. Nämlich fast nichts.

Geschenk für Agostino

1:0 (0:0) gewann 1860, weil Paul Agostino eine späte Unaufmerksamkeit der Bayern dankend nutzte. Die Chronisten wird das kurz beschäftigen, ansonsten allerdings war dieses Kräftemessen eher der Beleg dafür, dass steile Ränge nicht unbedingt ein Spektakel garantieren.

Keine Frage, das Duell war eine Petitesse und damit auch ein ziemlicher Kontrast zu den Spaßspielen mit buntem Rahmenprogramm, die es am Montag und Dienstag an gleicher Stelle zu sehen gab. Allerdings: Es störte niemanden, weil eine nie gekannte Stadionseligkeit die Münchner umfangen hat.

Die Brisanz dieses Derbys hatte man sich ohnehin dazudenken müssen. Wenn man es genau bedachte, stand die Ansetzung dieses Spiels sogar eher für die zur Zeit nicht gerade überragende Bedeutung des nachbarschaftlichen Vergleichs zwischen dem Meister in Rot und dem Zweitligisten in Blau.

Das Derby als Zugabe

Denn die Partie war doch offensichtlich eher als Ergänzungsspiel vorgesehen, um die große Nachfrage der Anhänger zu befriedigen und vermutlich auch die der Stadionherren nach einer weiteren Einnahmemöglichkeit in Zeiten des so genannten Stadionbooms.

Als der FC Bayern sein Fest zum Einzug plante, erschien ihm ein Derby mit dem kleinen blauen Partner als Ouvertüre jedenfalls nicht angemessen. Er lud ganz unbescheiden die Nationalmannschaft ein. 1860 durfte sich stattdessen mit dem 1. FC Nürnberg duellieren. Das Derby war die Zugabe.

Und die Aufstellungen erinnerten ja auch nicht gerade an die ganz großen Zeiten der Derby-Geschichte, als Teams beider Farben sich höchst emotionale Kämpfe lieferten, die bisweilen auch in handfesten Auseinandersetzungen ohne Ball mündeten.

Immerhin: Im Bayern-Ensemble aus handverlesenen Regionalliga-Kräften standen Anfangs auch die international erprobten Kräfte Willy Sagnol, Bixente Lizarazu, Owen Hargreaves sowie Martin Demichelis.

Zudem durfte der frühere Löwe und Nationalgrätscher Jens Jeremies das Kapitänsamt ausüben (wenn auch nur eine Halbzeit lang, dann ging er, und Sagnol übernahm die Binde); diese Mannschaft konnte es wegstecken, dass der altgediente Alexander Zickler seinen letzten Abend im Bayern-Trikot vor dem Wechsel zu Austria Salzburg wegen Fiebers verpasste.

Und 1860-Trainer Reiner Maurer bot durchaus ein zweitligataugliches Team auf, in dem er Reservisten wie die scheidenden Erol Bulut und Karlheinz Pflipsen noch einmal etwas Auslauf gewährte.

Entspannte Berufsfußballer, nunterbeschäftigter Schiedsrichter

Aus dieser seltenen Mischung konnte nichts Rechtes entstehen, wobei sich zwischendurch durchaus die Frage stellte, wie sich eine Ansammlung von entspannten Berufsfußballern so wenig von der stimmungsvollen Atmosphäre im weiten Rund inspirieren lassen kann.

Ein paar harmlose Weitschüsse waren zu bestaunen, ehe in der zweiten Halbzeit endlich so etwas wie Torgefahr aufkam. Bayerns José Luis Ortiz prüfte 1860-Schlussmann Timo Ochs. Auf der anderen Seite rutschte Nicky Adler, neuerdings mit einem Profivertrag ausgestattet, knapp an einer Flanke von Marco Gebhardt vorbei.

Und einen Freistoß aus vielversprechender Position, zugesprochen vom unterbeschäftigten Schiedsrichter Wolfgang Stark, setzte Pflipsen mit Effet in die Mauer. Erst Agostinos Tor brachte den ersehnten Höhepunkt, und die Männer wurden noch einmal munter, weil die Bayern eben auch unwichtige Spiele nicht gerne verlieren.

Es nützte nichts. Kurz darauf endeten die tagelangen Einweihungsfestlichkeiten mit einem Pfiff und ein bisschen weißblauer Begeisterung. Auf ihrer Homepage feiern sich die Löwen nun als "Deutschermeisterpokalsiegerbesieger". Vorgemacht hatte es einst der FC St. Pauli Hamburg, der sich nach einem Bundesliga-Erfolg gegen den FC Bayern "Weltpokalsiegerbesieger"-T-Shirts druckte.

© SZ vom 03.06.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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