1860-"Allesfahrer" :"Poschner wird nicht mehr so viel zu melden haben"

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Wünscht sich frisches Personal in der Führungsebene bei 1860 München: Franz Hell. (Foto: imago)

Franz Hell ist seit den 60er Jahren Löwen-Fan und immer dabei. "Aber so eine Situation gab es noch nie."

Seit 1963 hat Franz Hell, 61, nur zwei Heimspiele des TSV 1860 München verpasst, "als Jugendlicher, auf Druck des Vaters". Seit Ende der Sechziger ist der Immobilien-Gutachter bei allen Spielen der Löwen und in jedem Trainingslager dabei gewesen. Egal, ob in München oder auswärts, in Bayern oder im Ausland, ob Bayernliga oder Landesmeister-Cup. Rund eine Woche vor dem überraschenden Rücktritt des Präsidiums um Gerhard Mayrhofer organisierte "Allesfahrer" Hell eine Fan-Demonstration am Trainingsgelände und forderte vor allem, dem umstrittenen Sportchef Gerhard Poschner zu entlassen.

SZ: Herr Hell, am Freitag ist Gerhard Poschner als Sport-Geschäftsführer abberufen worden. Er soll aber weiter als Sportdirektor arbeiten dürfen. Sport-Geschäftsführer soll dafür Noor Basha werden, der Statthalter und Cousin von Hasan Ismaik - und Poschners Freund.

Franz Hell: Ja, das ist nicht ganz so gelaufen, wie ich es erhofft hatte. Als ich die Nachricht gehört habe, habe ich ich mich ziemlich vor den Kopf gestoßen gefühlt. Ich habe, wie viele, auf einen Neuanfang in der sportlichen Führung gehofft. Poschner hat ja ein Jahr wirklich gar nichts hingekriegt. Und jetzt schimpfen natürlich viele: 'Wir können sie einen Apotheker (Basha ist studierter Pharmazeut, die Red.) nur zum sportlichen Verantwortlichen machen? Was wollen sie denn mit dem? Erst der Unfähige, jetzt der Berufscousin.' Das ist die Stimmungslage, die ich gerade miterlebe unter den Fans.

Was meinen Sie?

Na ja. Jetzt haben wir halt einen Kompromiss. Ob der faul ist oder nicht - ich glaube, darüber will ich gerade nicht mal wirklich nachdenken. Immerhin soll Basha die sportliche Leitung nicht alleine übernehmen, sondern gemeinsam mit Finanz-Geschäftsführer Markus Rejek. Der Poschner wird nicht mehr so viel zu melden haben. Das ist das einzige, was mich ein bisschen positiv stimmt. Schon während des Trainingslager war Poschner kaum sichtbar und hat die Entwicklung der Mannschaft weder befördern noch gefährden konnte.

Sie haben unzählige Delegierten- und Mitgliederversammlungen bei den Löwen miterlebt. Was glauben Sie, wie es am Sonntag ausgehen wird?

Ganz ehrlich: Ich kann es überhaupt nicht einschätzen. Es kann alles passieren. Wir haben schon viele komischen Dinge erlebt bei Sechzig, auch im unmittelbaren Vorfeld einer solchen Versammlung. Aber so eine Situation hatten wir noch nie. Ich hoffe, dass es ruhig bleibt und wir am Ende des Tages einen neuen Verwaltungsrat haben. Das ist das Wichtigste, damit wir bald auch wieder ein ordentliches Präsidium haben.

Mayrhofer hat zuletzt im SZ-Interview erzählt, dass Ismaik ihm gesagt habe, selbst Präsident werden zu wollen.

Das kann ich mir schon vorstellen, dass der das möchte. Aus seiner Sicht wäre das auch sinnvoll. Aber die Mitgliederversammlung möchte ich erleben, die ihn zum Präsidenten wählt! Ich würde ihn sicher nicht wählen, das kann ich kategorisch ausschließen. In den letzten Jahren hat die KGaA ohnehin schon zu oft über den Verein bestimmt. Dabei müsste es andersrum sein. Ich verstehe, dass ein Investor so großen Einfluss wie möglich haben will. Aber wir dürfen nicht zu Allem Ja und Amen sagen. Schauen Sie sich Griechenland an. Da hat das Volk auch Nein gesagt zur großen EU. Und jetzt scheint es trotzdem irgendwie weiter zu gehen, jetzt scheint es trotzdem eine Lösung geben zu können. Aber natürlich ist das auch eine Pokerei, natürlich gibt es ein Risiko.

Ismaik könnte sein Gesellschafterdarlehen kündigen, 1860 könnte Bankrott gehen.

Da sage ich mittlerweile: Auch schon wurscht. Den Verein hat es schon 151 Jahre vor Ismaik gegeben und es wird ihn sicher auch nach einer möglichen Insolvenz und bei einem Neuanfang in der vierten, fünften, sechsten Liga weiter geben.

Wollen Sie das wirklich? Einen Total-Crash und einen unterklassigen Neuanfang ohne Gewissheit, ob es je wieder nach oben gehen würde?

Ich habe nie zu denen gehört, die eine Insolvenz befürwortet haben und möchte das auch heute nicht. Aber: Ich bin keine 20 mehr, ich kann die biologische Uhr ticken hören. Und ich möchte sicher nicht die letzten zehn Jahre so wenig Spaß bei den Spielen haben wie letzte Saison. Und dann vor allem nicht auch noch bis zur 93. Minute der Relegation zittern müssen, ob wir in der zweiten Liga bleiben dürfen.

© SZ vom 12.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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