1. FSV Mainz:Noch über dem Strich

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Zwei gegen eins: Die Mainzer Robin Quaison (li.) und Karim Onisiwo bringen den Ball nicht an Hoffenheims Torhüter Oliver Baumann vorbei im Tor unter. (Foto: Sascha Steinbach/AP)

Bei der 0:1-Niederlage gegen die TSG Hoffenheim wird sichtbar: Dem Kader fehlt Struktur und Erfahrung für den Abstiegskampf - und nun steht ein schweres Auswärtsspiel an.

Von Frank Hellmann, Mainz

Über die Mainzelmännchen-Tribüne, wie die Gegengerade im Mainzer Stadion wirklich heißt, ist im Geisterspielbetrieb ein riesiges Banner gespannt: "Mainz bleibt. Mainz" steht in weißen Buchstaben auf rotem Stoff. Wer aus der Botschaft ableitet, dass der FSV Mainz 05 auch die zwölfte Saison hintereinander in der Fußball-Bundesliga bleibt, könnte allerdings irren. Nur zwei magere Punkte sind seit der Wiederaufnahme der Saison auf die Habenseite gewandert. Zu wenig, um sorgenfrei auf die Zielgerade einzubiegen, zumal noch Spiele bei den Champions-League-Kandidaten Dortmund und Leverkusen anstehen. Naheliegender wären Erfolgsaussichten in der Partie bei Eintracht Frankfurt am kommenden Samstag.

Sportvorstand Rouven Schröder wollte sich nach dem 0:1 gegen TSG Hoffenheim nicht mit verpassten Möglichkeiten aufhalten; nicht damit, dass Bälle an den Innenpfosten geprallt waren (Freistoß von Robin Quaison) oder dass Schiedsrichter Stegemann keinen Elfmeter gab, als TSG-Torwart Oliver Baumann an der Außenlinie in Taiwo Awoniyi rutschte. "Wir können nicht nach Hause gehen und sagen, wir hätten eventuell das 1:1 schießen können oder eine Fehlentscheidung ist gefallen", sagte er. Wenn das Team nun verzage, werde es noch schwieriger: "Noch ist niemand abgestiegen. Wir stehen noch über dem Strich, es wird aber immer enger."

Führungsspieler? Kein Thema für Trainer Achim Beierlorzer: "Wir brauchen Punkte."

Die nächste Ausfahrt, A3 Frankfurt-Süd, Richtung Stadion/Sportverbände, wird einen Wegweiser für den weiteren Saisonverlauf setzen: Entweder gelingt dem Ensemble beim Nachbarn ein Befreiungsschlag oder es schleppt noch mehr Ballast in das nächste Heimspiel am 14. Juni gegen den Mitkonkurrenten FC Augsburg. Dass die Mainzer Lage mitten in der Corona-Krise misslich geworden ist, liegt auch an der Kaderstruktur. Schröder lockt mit Vorliebe junge französische, spanische oder niederländische Profis in die Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz, damit sich diese an einem mit viel Geduld ausgestatteten Standort weiterentwickeln. In Gefahr gerät das Ganze immer dann, wenn in der Mannschaft irgendwann das Gleichgewicht nicht mehr stimmt.

Das Team spielt inzwischen mit zu viel Unwucht: Dass ein Übermaß an jugendlicher Unbekümmertheit nicht weiterhilft, war gegen Hoffenheim gut zu besichtigen. Trotz aller Leidenschaft wirkte der Vortrag unreif, weil zu ungestüm und unstrukturiert. Kein Wunder: Die Startelf, in der Talente wie Ridle Baku, 22, und Leandro Barreiro, 20, standen, hatte ein Durchschnittsalter von 23,8 Jahren. Die Kapitänsbinde trug Moussa Niakhaté, 24, der erst als Linksverteidiger, dann als Innenverteidiger agierte, weil die Hereinnahme Alexander Hacks die Abwehr auch nicht stabilisierte. Erst verschuldete der 1,93-Meter-Mann einen Elfmeter, den Torwart Florian Müller hielt (27.), dann das Gegentor von Ihlas Bebou (43.). Eingedenk der wiederholt auftretenden Abwehrschwächen nützt auch die beste Mentalität nichts.

Es verwundert daher, dass der furchtlose Fußballlehrer Achim Beierlorzer für den etatmäßigen Kapitän Daniel Brosinski keine Verwendung mehr hat, obwohl der 31-Jährige sowohl auf der rechten als auch der linken Außenverteidiger-Position spielen kann und Verlässlichkeit verkörpert. Eine verbale Stütze ist er ohnehin: Er hat als einziger in diesem Verein seit 2014 alle Höhen und Tiefen durchlebt. Allenfalls noch eingewechselt zu werden, sei für ihn eine "neue Situation", sagte Brosinski. Der Routinier will mehr als nur Reservist sein.

In der Hierarchie ist einiges durcheinander geraten, seit der Wortführer Stefan Bell im Vorjahr in einer ähnlichen Situation unter Sandro Schwarz aus Leistungsgründen seinen Stammplatz verlor. Nachfolger Beierlorzer hat indes auf eine Grundsatzdebatte über den Mangel an Führungsfiguren für den Abstiegskampf keine Lust. "Es gibt jetzt gar keine Diskussion mehr, was ein Spieler für ein Typ Spieler ist", sagte er. "Es geht nur noch darum, Leistung abzurufen. Wir brauchen Punkte." Sonst bleibt Mainz zwar Mainz, aber nicht in der Bundesliga.

© SZ vom 02.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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