0:0 in Mainz:Bayern-Fluch

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Herthas Vedad Ibisevic zeigt sich enttäuscht - er hatte mehrere Torchancen vergeben. (Foto: imago/Jan Huebner)

Wie den meisten Mannschaften gelingt auch Hertha BSC unmittelbar nach einem Erfolg gegen den Rekordmeister kein weiterer Sieg.

Von Tobias Schächter, Mainz

Den Alltag nach dem Rausch zu bestreiten, ist nicht nur für normale Arbeitnehmer, die sich unter der Woche ein paar Gläschen zu viel gönnen, nicht einfach. Für Profis in der Bundesliga bedeutet ein Sieg gegen Serienmeister FC Bayern München den Ausbruch aus dem Alltag, von dem sie sich normalerweise nicht so schnell erholen. Von den letzten elf Bayern-Bezwingern gewann nur RB Leipzig ein Sieg nach dem Triumph gegen den Branchenprimus. Im zwölften Versuch scheiterte an diesem Samstag Hertha BSC Berlin beim FSV Mainz 05. Letzte Woche hatten die Berliner die Münchner mit 2:0 besiegt. Das hart erkämpfte 0:0 bei starken Mainzern stellte Hertha-Trainer Pal Dardai nun aber grundsätzlich zufrieden. Er sagte: "Es ist schön, nach dem Bayern-Erlebnis nicht verloren zu haben." Mit 14 Punkten aus sieben Spielen bleiben die Berliner in der Spitzengruppe und Dardai blickte schon voraus zum nächsten Heimspiel gegen den SC Freiburg nach der zweiwöchigen Länderspielpause: "Wenn wir gegen Freiburg gewinnen, dann haben wir den Bayern-Sieg mit dem Remis heute vergoldet."

Die Mainzer waren insgesamt näher am Sieg dran als die Berliner, aber die Hertha hatte die beste Gelegenheit des Spiels: Vedad Ibisevic köpfte den Ball völlig freistehend aus sechs Metern nur an den Pfosten (26.). "Das war eine Schachmatt-Situation", meinte Dardai, lobte aber insgesamt den Auftritt des Gegners. Und die Mainzer ärgerten sich besonders über eine Situation kurz vor dem Pausenpfiff, als Jonathan Burkardt von Per Skjelbred im Strafraum klar gefoult wurde, der Pfiff von Schiedsrichter Daniel Schlager aber blieb aus. "Wenn du da nicht eingreifst, dann brauchst du den Video-Schiedsrichter nicht", sagte der Mainzer Trainer Sandro Schwarz. In den Wiederholungen im TV war das Foul klar zu erkennen.

Mainz hat die wenigsten Tore kassiert und die wenigsten geschossen

Mit der Leistung und der Entwicklung seiner Mannschaft aber ist der Mainzer Trainer grundsätzlich zufrieden. Robin Zentner ersetzte fehlerlos den an den Adduktoren verletzten Stammtorwart Florian Müller. Mit neun Punkten aus sieben Spielen ist der Ertrag für die junge Mannschaft ordentlich, das Torverhältnis von 4:4 kurios: Mainz hat die wenigsten Tore aller Mannschaften kassiert - und die wenigsten geschossen. Gegen Berlin gelang zum vierten Mal hintereinander kein Tor, doch Schwarz ist zuversichtlich, dass dieses Manko überwunden wird. "Ich würde mir grundsätzliche Gedanken machen, wenn wir keine Torchancen hätten und spielerisch nichts zustande bringen. Bei unserem Torverhältnis denkt man, wir parken einen Bus vorm eigenen Sechzehner. So ist es aber nicht."

Die Mainzer dominierten die Hertha fast die gesamte Spielzeit, Jean-Philippe Gbamin vergab zwei große, herausgespielte Torgelegenheiten (38., 63.). Vor allem mit der Mainzer Taktik, erstmals mit einer Raute im Mittelfeld und zwei Spitzen zu beginnen, kamen die Berliner nicht zurecht. "Der Gegner war uns im Mittelfeld überlegen, wir tun uns schwer, wenn der Gegner in einer Raute spielt", gab Rechtsverteidiger Valentino Lazaro zu: "Einen Sieg hatten wir uns heute ehrlich gesagt nicht verdient."

Es sei intern nach dem Bayern-Sieg eine schwere Woche gewesen, resümierte Trainer Dardai. Viele Lobeshymnen durften die Profis über sich lesen, das ist nicht immer gut, auch deshalb bekräftigte der Trainer noch einmal: "Es war nicht alles koscher diese Woche, deswegen, bin ich mit dem Punkt zufrieden." So kann man das sehen. Und die Beantwortung der Frage, ob die Hertha tatsächlich eine Spitzenmannschaft ist oder nicht, vorerst in die Zukunft zu verschieben, tut in Berlin vielleicht auch allen ganz gut.

© SZ vom 07.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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