1:1 gegen Düsseldorf:Illusion und Wirklichkeit

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„Die Champions League können wir erst einmal aus den Köpfen streichen“, macht Hoffenheim-Trainer Julian Nagelsmann klar. Auch Andrej Kramaric (rechts) und Kevin Vogt verbergen ihre Enttäuschung nach Spielende nicht. (Foto: Michael Weber/imago)

Nach dem Spiel gegen Düsseldorf muss sich Hoffenheim von den Champions-League-Ambitionen verabschieden. Die Aussagen von Trainer und Spielern verraten viel über den Zustand der Mannschaft.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Als der Hoffenheimer Stadionsprecher Mike Diehl die Nachspielzeit von vier Minuten durchsagte und so die Stimmung auf dem Platz und auf den Rängen anheizen wollte, tat sich: nichts. Die Anhänger der TSG sahen in der Ankündigung der üppigen Verlängerung nicht ein Zeichen der Hoffnung und blieben still. Und die Mannschaft der TSG zeigte weiter bis zum Abpfiff, dass sie gegen Fortuna Düsseldorf mit ihrer Zeit kaum Konstruktives anfangen konnte. Es blieb beim für Hoffenheim ernüchternden 1:1 gegen den mutigen Aufsteiger. Die Hoffenheimer müssen sich nach diesem bitteren Auftritt eingestehen, dass ihr selbstformuliertes Ziel Champions-League-Teilnahme derzeit nicht mit ihrer Leistung korrespondiert. Schlimmer noch: Der schwache Auftritt stellt dieses Ziel sogar grundsätzlich in Frage. Die große Ambition, unterfüttert durch die überragenden Platzierungen der beiden vergangenen Spielzeiten (Rang vier und Rang drei), scheint die Mannschaft eher zu lähmen. Aktuell steht Hoffenheim auf Tabellenrang Acht und TSG-Trainer Julian Nagelsmann versuchte erst gar nicht zu argumentieren, dass seine Mannschaft aufgrund ihrer Leistungen dort auch zurecht steht. Er konstatierte: "Wir haben heute unsere Ambitionen in keinster Weise untermauert. Wir müssen die Champions-League aus den Köpfen bekommen und schauen, dass wir den Anschluss an die Europa-League-Plätze nicht verlieren."

Gegen Düsseldorf präsentierten sie die TSG fast schon gewohnt wacklig in der Defensive, neu war die Ideenlosigkeit im Spiel nach vorne. Nicht einmal die 1:0-Führung durch einen verwandelten Strafstoß von Andrej Kramaric (16., Adam Bodzek hatte Dennis Geiger gefoult) verlieh dem Spiel der Gastgeber Sicherheit. Der 1:1-Ausgleich direkt nach dem Wiederanpfiff durch ein Kopfballtor von Rouwen Hennings kam nicht überraschend. Hoffenheim konnte bis zum Abpfiff keine klare Torchance mehr herausspielen und hatte Glück, überhaupt mit einem Punkt aus dem Spiel zu gehen - Düsseldorfs Siegtreffer nach einem Kopfball von Kaan Ayhan (58.) verhinderte nur die Latte. Eine Woche nach dem 0:4 gegen Leipzig trat die Fortuna kompakt auf und spielte mit Selbstvertrauen nach vorne. Rückschläge steckt diese Mannschaft offenbar gut weg. Mit 22 Punkten stehen die Düsseldorfer stabil im unteren Mittelfeld. Trainer Friedhelm Funkel sagte: "Die Leistung stimmt mich zuversichtlich, dass wir unser Ziel, den Klassenerhalt, erreichen, auch wenn es noch ein weiter Weg ist." Die Essenz dieses Nachmittags war: Während Fortuna Düsseldorf sich seinem Klassenziel immer mehr nähert, entfernt sich die TSG immer mehr von ihren eigenen Ambitionen.

"Kein europäisches Spitzenteam"

Insgesamt waren die Aussagen der Hoffenheimer Spieler und des Trainers nach Abpfiff interessanter als die insgesamt mauen 94 Minuten auf dem Platz. Nagelsmann kritisierte die Einstellung seiner Profis in der vergangenen Trainingswoche: "Einige haben das Ergebnis zuletzt in Freiburg (4:2), gemessen am Spielverlauf, in eine falsche Kategorie gepackt. Wir sind schlecht in die Woche gestartet. Wir sind einfach kein europäisches Spitzenteam, das drei Tage nicht richtig trainieren muss und dennoch die Spiele gewinnt." Nagelsmann muss nun beweisen, die Mannschaft zusammenhalten zu können. Keine leichte Aufgabe, zumal sein Wechsel nach der Saison zu RB Leipzig bereits feststeht. Womöglich leidet die Mannschaft nach den Erfolgen der letzten Jahre aktuell an Selbstüberschätzung.

Zuletzt gab es nur einen Sieg in neun Spielen. Und dass ein Spieler wie Nadiem Amiri seine Enttäuschung über seine Auswechslung (60.) nicht nur direkt danach offen zur Schau trug, sondern diese auch nach dem Duschen in entlarvenden Worten formulierte, ist nicht unbedingt ein gutes Zeichen. Der U21-Europameister hatte fast die gesamte Vorrunde verletzt gefehlt, im fehlt noch immer die alte Frische. Trotzdem polterte er nach seiner Auswechslung: "Mir wird die Chance genommen, das Spiel zu entscheiden. Ich war in der Mitte einer der Wenigen, der viele Ballkontakte hatte und viele Zweikämpfe gewonnen hat." Zwar fügte Amiri noch hinzu, dass er die Entscheidung des Trainers akzeptieren müsse. Aber der Eindruck, dass er nur auf sich schaut, wischte er dadurch nicht mehr beiseite. In seinen letzten vier Monaten in Hoffenheim muss Nagelsmann Eitelkeiten einfangen und den Teamgeist wieder stärken. Aber viele Profis stecken schon länger im Leistungstief, wie zum Beispiel Kapitän Kevin Vogt. Es wird spannend zu beobachten sein, ob der Trainer und die Mannschaft den schon länger anhaltenden Negativtrend stoppen können. Ein Stresstest dafür ist das kommende Auswärtsspiel bei Tabellenführer Borussia Dortmund.

© SZ vom 03.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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