Zwei Jahre nach der Katastrophe:Zurück ins Paradies

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"Benzin aus Kokosnüssen! Toll, was? Idee vom König!" Im Süden Thailands hängen die Bewohner an der Monarchie. Ansonsten denken sie pragmatisch. Und reden die Erinnerung an den Tsunami aus den Köpfen der Gäste.

Arno Makowsky

Man kann darüber streiten, ob Richard Clayderman die passende Begleitmusik ist, um eine Katastrophe zu besichtigen. Andererseits ist die Katastrophe schon eine Weile vorüber, außerdem übertönt der Schiffsmotor immer wieder gnädig das Geklimper aus dem Bordlautsprecher.

Und so tuckert das Hotelboot langsam an der Küste von Khao Lak entlang, die vom Tsunami im Dezember 2004 so schlimm heimgesucht wurde, dass weder von den Hotels noch von den kleinen Fischersiedlungen viel übriggeblieben ist.

Die Einheimischen, vor allem jene, die im Fremdenverkehr arbeiten, sehen die Katastrophe und ihre Folgen mit der ganzen Unsentimentalität von Geschäftsleuten, die auf ein positives Image ihrer Region angewiesen sind.

Alles scheint normal

Tsunami? Die Erwähnung dieses Begriffs löst bei den Menschen in Khao Lak stets einen etwas gequälten Gesichtsausdruck aus, gefolgt von einem zuversichtlichen Grinsen: "Okay, das war schlimm", sagt beispielsweise unser Bootsführer, während er den Gästen freundlich ein Bier oder eine Cola öffnet, "aber es war einmalig. Das gibt's nur alle hundert Jahre!"

Der Wind streicht angenehm kühl über das Vorderdeck der Lady Sarojin, das Ufer ist dicht mit Mangroven bewachsen, deren Wurzeln tief ins Salzwasser reichen. Die Passagiere zücken ihre Digitalkameras, als das Boot an einem idyllisch gelegenen Fischerdorf vorbeifährt; fast alle Hütten sehen nagelneu aus, Kinder rennen am Dorfstrand entlang, Männer beladen ihre Kähne mit Netzen und Kisten. Alles normal.

Nur ganz am Rand des Dorfes ist die Verwüstung noch ein wenig zu sehen, zerstörte Häuser mit löchrigen Wänden und eingedrückten Palmendächern, ein paar kaputte Schiffe. Man will nicht daran denken, wie viele Menschen hier in den Tod gerissen wurden. Zum Glück ist die CD mit Clayderman zu Ende.

Der Süden Thailands, zwei Jahre nach dem Tsunami. Es ist das alte Dilemma, das Reisende immer nach solchen grausamen Katastrophen verspüren: trotz aller zurückgekehrten Herrlichkeit der Natur, trotz aller Freundlichkeit der Menschen - ein wenig ist der Schrecken noch präsent und blockiert zumindest anfangs jene Leichtigkeit, die sich normalerweise einstellen würde. Andererseits: Es muss weitergehen, die Touristen helfen der Region und ihren Bewohnern.

So langsam kehren die Asien-Liebhaber auch aus Europa zurück. Und so ist in den vergangenen Jahren an dem kilometerlangen Strand von Khao Lak ein Hotel nach dem anderen neu entstanden; die meisten von ihnen sind luxuriös und liegen inmitten tropischer Gärten.

Dafür sind manche kleinen Unterkünfte verschwunden - solche, die nur aus einigen Bambushütten und einem einfachen Strandlokal bestanden haben.

Ein Hotel mit Philosophie

Das elegante Hotel "Sarojin" in Khao Lak wird nicht von einer Kette betrieben, sondern von einem sympathischen britischen Ehepaar. Kate und Andrew erzählen sofort, dass ihre "Philosophie" (darunter machen es Hotelbesitzer nicht) sei, dass die Gäste sich nicht nur im Hotel aufhalten, sondern die ganze Gegend kennenlernen sollen - bei Elephant Trecks und Spaziergängen durch den Urwald. Muss das sein?

Im "Sarojin" ist es so schön, dass man eigentlich gar nicht weg will. Die Gäste schlendern, wenn sie nicht gerade in der Designer-Badewanne liegen, durch den Palmengarten rüber zum Strand; ein lieblicher Bach windet sich durch die Landschaft, und das Hauptproblem, das es zu lösen gilt, ist die Frage: Nehmen wir das Dinner heute Abend im Beachrestaurant ein oder lassen wir uns im Teakholzmobiliar am Pool nieder?

Elefanten mit Würde

Um ein paar Exkursionen kommen wir dann doch nicht herum - und lernen dabei erstens, dass Elefanten im Urwald auch dann ihre Würde behalten, wenn Amerikanerinnen in rosa Hotpants auf ihnen reiten. Sowie, zweitens, dass der Thailänder als solcher nichts auf seinen geliebten König Bhumibol kommen lässt.

Unsere Fahrerin Nui zum Beispiel, eine resolute junge Frau, deren Handy ständig aufregende Klingeltöne von sich gibt, ist eine glühende Anhängerin der Monarchie. "Schauen Sie, da vorne diese kleine Raffinerie - da machen wir Benzin aus Kokosnüssen" - und auf die bewundernden Blicke aus dem Wagenfond: "Toll, was? Idee vom König!" Wie sie weiter ausführt, braucht man 450 Palmen, um einen Liter Benzin herzustellen. Wenn das stimmt, sollte Bhumipol die Sache vielleicht nochmal durchdenken.

Bei diesem Trip sind wir schon unterwegs zu einer Insel namens Koh Yao Noi, die in den meisten Reiseführern bis jetzt nicht auftaucht, weil sie erst seit ein paar Jahren für den Tourismus erschlossen ist.

Sie liegt wenige Meilen von Phuket entfernt - mitten in einer Meerlandschaft, aus der immer wieder bizarre Felsen ragen, als hätte der liebe Gott sie in einer Laune hineingekegelt.

Das Speedboot fährt geradewegs zu einer pittoresken Hotelanlage, die alles hat, was der Europäer als "paradiesisch" zu bezeichnen pflegt: einen Sandstrand, an dem sich glückliche Honeymooner mit Cocktails verwöhnen lassen, Holzbungalows mit Jacuzzi und ein Restaurant, in das die Gäste barfuß kommen, weil die Tische im Sand stehen.

Die Gäste wollen das Ursprüngliche

Das Hotel heißt originellerweise "Paradise". Josef Raess, der Hoteldirektor aus der Schweiz, hat eine bestimmte Klientel im Blick: "Viele meiner Gäste waren als Zwanzigjährige richtige Traveller. Heute sind sie 40 und wollen immer noch das Ursprüngliche. Aber in Verbindung mit einer opulenten Weinkarte."

Der Mann hat erst vor drei Jahren zusammen mit thailändischen Geschäftsfreunden eine Firma gegründet und den Strandabschnitt für die Hotelanlage auf Koh Yao Noi dem Staat abgekauft. Für etwa 800.000 Euro, wie er erzählt - einen Betrag, für den man in München ein Einfamilienhaus bekommt.

Wir sitzen beim Lunch, die Kellner servieren Hühnerfleisch mit Erdnuss-Sauce. Raess berichtet weiter: Für geliehenes Geld baute man die Anlage, die Bungalows, den Pool. Es ließ sich nicht schlecht an.

Und der Tsunami? Eigentlich haben sie auf dieser Insel gar nichts mitbekommen, sagt er, das Meer stieg einen Meter am Strand an, das war alles. Gehört und gesehen haben sie es im Fernsehen - und gespürt am nächsten Tag, als die Stornierungen losgingen. "Praktisch alle Gäste haben abgesagt. Es war verheerend."

Nun könnte man sagen: Sei froh, dass du überlebt hast. Doch die Menschen in Thailand, ob Einheimische oder Ausländer, denken pragmatisch, unsentimental, hart. Der Schweizer aus Koh Yao Noi hat keine Angst vor einem zweiten Tsunami, sondern fürchtet sich vor seiner Bank in Phuket, die den Kredit nicht verlängern könnte.

Warum Touristen eine gewisse Zeit nicht mehr in die Katastrophenregion fahren wollten - es ist ihm rätselhaft. "Hier war nichts, kein Mensch ist zu Schaden gekommen." Die Kellner in der Strandbar machen längst Witze über den Tsunami.

Die Wirklichkeit ausblenden

Wer in Koh Yao Noi seinen Urlaub verbringt, ist tatsächlich geneigt, die Wirklichkeit und den Alltag eine Weile auszublenden. Sogar bei Ausflügen ins Innere der Insel, zu kleinen Dörfern oder zum Hauptmarkt hat man das Gefühl, dass die Tage ziemlich undramatisch verlaufen.

Fischer fahren raus aufs Meer und kommen wieder. Arbeiter schneiden die Gummibäume an und lassen das weiße Kautschuk in Kokosschalen laufen. Touristen bummeln die Einkaufsstraße entlang und kaufen ein paar Babybananen. Und morgen? Da ist es genauso.

Zurück in Phuket, beim Aufenthalt im supermodernen "Twin Palms"-Hotel (in dem man von der eigenen Zimmerterrasse aus durch einen Kanal in den Pool schwimmen kann), stellen wir uns dann noch einmal die Frage: Wird eine Reise nach Südthailand von der Erinnerung an die Schrecken des Tsunami getrübt?

Einerseits ja, auch wenn von den Zerstörungen nicht mehr viel zu sehen ist. Andererseits muss niemand ein schlechtes Gewissen haben, der am weiten Sandstrand von Surin den romantischsten Sonnenuntergang der Welt genießt.

Vorausgesetzt, er hört dabei nicht Richard Clayderman.

Informationen

Anreise: Thai Airways fliegt von Frankfurt/Main in 13 Stunden direkt nach Phuket. Der Hin- und Rückflug kostet etwa 700 Euro. www.thaiair.de

Reisearrangement: Der Asienspezialist Lotus Travel Service bietet sogenannte "kulturell sensitive Begegnungsreisen" nach Thailand an. Im "Paradise Koh Yao"-Hotel kostet eine Woche ab 608 Euro pro Person im Doppelzimmer. Inklusive sind die Teilnahme an einem Programm mit drei Ausflügen mit persönlichem Guide sowie die Transfers von Phuket oder Krabi zum Resort.

Die Reise kann mit einem Aufenthalt in einem Strandhotel im Süden Thailands kombiniert werden. Eine Woche im "The Sarojin" in Khao Lak gibt es ab 539 Euro pro Person im Doppelzimmer. Eine Woche im "Twinpalms" in Phuket kostet ab 378 Euro. www.lotus-travel.com

© SZ vom 7.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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