USA-Reisen:Die Wiederentdeckung Amerikas

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Während sich der Dollar seinem historischen Tiefststand nähert, reisen wieder mehr Deutsche in die USA - doch die "billige Amerikareise" scheint vor allem ein psychologisches Phänomen zu sein.

Juliane Matthey

Amerika wurde 2007 wiederentdeckt - von den deutschen Touristen. Seit der Terror seinen Fokus nach Europa verschoben hat, George W.Bush dem Ende seiner Präsidentschaft entgegensieht und der Dollar einen historischen Tiefststand erreicht, fahren wieder fast so viele Deutsche in die USA wie zur Boomzeit um das Jahr 2000; die Tourismusindustrie wirbt verstärkt mit ihren Amerikaangeboten.

Colorado
:Skywalk über dem Grand Canyon

Traumblick für Schwindelfreie: In 1200 Metern Höhe über dem Colorado-River steht eine spektakuläre Aussichtsplattform aus Glas und Stahl.

So lockte DER in diesem Herbst mit dem Slogan "Shop till you drop" seine Kunden zum Vorweihnachtskaufrausch nach New York; FTI verstärkte seinen Nordamerikakatalog auf 430 Seiten.

Der Dollarkurs trage eindeutig dazu bei, dass die Kunden sich für eine USA-Reise entscheiden, heißt es bei Tui. Besonders positiv wirke sich aus, dass die Nebenkosten vor Ort, etwa für Mietwagen, viel günstiger geworden sind. Auch andere große Amerikareisen-Anbieter berichten von steigenden Buchungszahlen.

Die DER-Tochter Dertour, Marktführer für Nordamerika-Reisen, verzeichnete 2007 fünf Prozent mehr Gäste. Die Wintersaison läuft nach Angaben des Unternehmens "hervorragend", und für den kommenden Sommer erwartet man weitere große Zuwächse. FTI registrierte 2006/2007 ein Plus von fünf Prozent; in der laufenden Saison zeichnet sich dem Unternehmen zufolge ein Plus von deutlich mehr als zehn Prozent ab.

Die Zuwächse bei Tui, DER und FTI spiegeln genau den zur Zeit in den USA beobachteten Trend wider: Zwischen Januar und August 2007 zählte das amerikanische Handelsministerium 975.000 Touristen aus Deutschland, acht Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Ausgelöst durch die Terroranschläge des 11. September hatte sich die Zahl zuvor von 1999 bis 2003 auf 1,2 Millionen fast halbiert.

Seitdem aber steigt sie, wenn auch unstetig, wieder an. Von einem sprunghaften Amerika-Boom, wie ihn derzeit die Tourismusberichterstattung dominiert, kann also keine Rede sein.

Nicht von der Hand zu weisen ist aber, dass das sprunghafte Ansteigen des Euro-Kurses die USA wieder zum attraktiven Einkaufsland macht. Es überrascht also kaum, dass nicht nur DER zur Zeit verstärkt seine Schnäppchenjagd-Reisen bewirbt: "Ein Trend hin zu Shoppingtouren ist eindeutig erkennbar", sagt auch FTI-Sprecherin Angela Winter. Shopping ist seit jeher ein großes Thema für USA-Urlauber:

Neun von zehn unter ihnen nutzen nach Angaben des US-Handelsministeriums ihren Aufenthalt zum Einkaufen. Besonders intensiv wird dafür jetzt zur Vorweihnachtszeit geworben, vor allem mit Kurzreisen nach New York: Vier Tage in den Kaufhäusern Manhattans und den Outlet-Centers der Vorstädte finden sich in vielen USA-Katalogen; die Kosten inklusive Flug und drei Übernachtungen im Mittelklassehotel, Rabattgutscheinen und Shuttle-Service beginnen meist bei etwa 700 Euro.

Allerdings, so Per Illian, Nordamerika-Koordinator von Dertour: "Shopping ist immer ein Thema, wird jedoch nie der ausschlaggebende Grund für eine Reise in die USA sein."

Wer eine Reise mit Shopping-Schwerpunkt bucht, wird in der Regel auch Museen oder Shows besuchen, Wandern oder Klettern, ein Wohnmobil mieten oder eine Busreise unternehmen.

Diese Klassiker machen einen unverändert großen Anteil an den gebuchten Amerikareisen aus: individuelle Mietwagen- und Wohnmobilreisen oder Bustouren durch die Weiten des Westens, Aktivurlaub mit Wandern, Kanufahren oder Raftingtour sowie Entspannen im Sonnen-Klassiker Florida.

Zunehmend reagiert aber die Industrie mit abwechslungsreichen Angebotspaletten auf das gesteigerte Interesse: Dertour baut sein Nischenprogramm aus, in dem es etwa die Neuenglandstaaten und Oregon anpreist. Oregons größte Stadt Portland wird von FTI sogar als "Highlight of the Year" vermarktet.

Tui zählt zu seinen zurzeit besonders gefragten Produkten Chicago mit dem Seeufer des Lake Michigan und der Einkaufsmeile Michigan Avenue.

Dabei sind die Preise für Amerikareisen im Vergleich zum Vorjahr nicht parallel zum Dollarkurs um 10 bis 15 Prozent gesunken. Die Katalogpreise für den Winter 2007/2008 wurden bereits im Frühsommer festgelegt, so dass die Kunden nur eingeschränkt profitieren.

Hinzu kommt, dass Hoteliers, Reiseleiter oder Autovermietungen auf die verstärkte Nachfrage mit Preiserhöhungen reagieren und somit nicht viel vom Dollarschnäppchen übrigbleibt. Folgerichtig haben FTI und Dertour die Preise ihrer USA-Angebote seit dem Vorjahr nur um durchschnittlich zwei bis drei Prozent gesenkt, Tui wird erst von der kommenden Sommersaison günstiger anbieten.

Die "billige Amerikareise" scheint also vor allem ein psychologisches Phänomen zu sein - wer schaut schon so genau auf Dollar und Cent, wenn er sich beim Outlet-Shopping als höchst erfolgreicher Schnäppchenjäger fühlen kann?

Dass günstige Wechselkurse nicht zwangsläufig die Reiselust bestimmen, zeigt sich eindeutig daran, dass zur Zeit so viele US-Amerikaner nach Deutschland fahren wie selten zuvor.

Nach Angaben der Deutschen Zentrale für Tourismus übernachteten zwischen Januar und Mai 2007 6,5 Prozent mehr US-Amerikaner in Deutschland als im Vorjahreszeitraum - 2006 waren schon so viele von ihnen hierher gekommen wie zuvor erst einmal, im Boomjahr 2000.

© SZ vom 13.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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