Urban Art und Graffiti:Das Gesicht der Stadt

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Künstler Simon Berger bearbeitet Sicherheitsglas mit dem Hammer. Dabei entstehen Porträts. Wer möchte, kann live dabei sein. (Foto: Daniel Bossart)

Kurator Philipp Brogli zeigt neue Perspektiven auf Basel - mit Street Art und subtilen Kunstwerken, die den Betrachter erst irritieren und dann berühren.

Von Katharina Wetzel

Kann eine kaputte Glasscheibe Kunst sein? In der Galerie Artstübli am Steinentorberg 28 in Basel können Kunstinteressierte sich davon selbst ein Bild machen. Manche Passanten, die auf dem Weg vom Bahnhof SBB Richtung Markthalle sind, gehen hier etwas verwundert an den Schaufenstern vorbei. "Defekt" prangt groß auf den Fensterscheiben, eine davon ist gesprungen wie nach einem Sturm oder einer Randale. Doch manche bleiben auch vor der kaputten Scheibe stehen, werden neugierig und fragen sich, was ist hier defekt? "Das ist eine gute Strategie, um die Leute hereinzuholen", meint Philipp Brogli.

Brogli ist Kurator und Gründer des Artstübli, das er als Kontrapunkt zu der elitären Basler Kunstwelt sieht. Ihm geht es nicht darum, die Werke eh schon bekannter Künstler zu zeigen, vielmehr möchte er "Geschichten erzählen". Und dafür eignen sich die Werke des Künstlers Simon Berger, der gerne Restmaterialien wie Glas hernimmt, um es wie hier im Atelier mit dem Hammer zu bearbeiten. Die kaputte Glasscheibe stammt auch von ihm. Für 6384 Schweizer Franken ist sie zu haben. Von Nahem betrachtet wirkt die Arbeit sehr abstrakt, fast abschreckend. Doch wie so oft im Leben braucht es eine gewisse Distanz, um das große Ganze zu sehen. So entfalten die Werke von Berger mit einigen Metern Abstand ihre Wirkung. Der Betrachter erkennt dann in der zersprungenen Glasscheibe ein Gesicht, das fast schon sentimental und verletzlich wirkt.

Alle zwei bis drei Monate zeigt Brogli in seiner Galerie eine neue Ausstellung von aufstrebenden und bekannten Künstlern. Sie stammen aus der urbanen Kunstszene, sind Street-Art-Künstler, Graffiti-Sprayer oder arbeiten mit neuen Werkstoffen. "Das ist eine Art Förderung, ein Sprungbrett, was wir hier betreiben", sagt Brogli, der dieses Jahr eine GmbH gegründet hat. 2004 hat er die Plattform artstübli.ch geschaffen, seit 2014 gibt es die Galerie in den Rundbauten der Markthalle Basel.

Daneben vermittelt Brogli Künstler für Fassadenbemalungen und Raumgestaltungen an öffentliche Institutionen oder private Auftraggeber. So sind in Basel schon einige Plätze mit Pop-Art-Graffiti entstanden, die zuvor mit Schmierereien versehen waren und nun mit urbaner Kunst glänzen. Kaum einer kennt die Szene so gut wie Brogli. Wer die Kunst entdecken möchte, kann auch über Artstübli "authentische" Urban-Art- und Graffiti-Touren buchen, die von Künstlern und Kennern der Szene begleitet werden.

Weitere Informationen: www.artstuebli.ch/urbanarttours

© SZ vom 16.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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