Unternehmer:Raus aus der Hülle

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Kein Radio, keine Tischordnung an Bord: Der Unternehmer Bruce Poon Tip will seine Kreuzfahrt-Gäste zusammenbringen und ihnen fremde Kulturen zeigen.

Interview von Ingo Thiel

Der kanadische Unternehmer Bruce Poon Tip gilt als Vordenker für nachhaltigen Tourismus. Unter anderem setzte er sich dafür ein, dass Touristen bei Einheimschen wohnen statt in Hotels. Unter anderem dadurch schafft der 50-Jährige in den Zielgebieten seines Unternehmens G Adventures Arbeitsplätze und Bildungsmöglichkeiten für Arme, Benachteiligte und indigene Stämme. Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen 50 neue Projekte rund um den Erdball entstehen. An Bord seines Schiffes Expedition will er eine neue Art des Kreuzfahrens schaffen.

SZ: Was ist denn so bahnbrechend anders an Ihrer Art des Kreuzfahrens?

Bruce Poon Tip: Wir haben die Philosophie, dass Gäste nicht nur fremde Kulturen in fernen Ländern kennenlernen. Sie sollen Lebens- und Denkweise der anderen erfahren, mehr Toleranz und Verständnis entwickeln. In den Kabinen gibt es keine Fernseher oder Radios, und bei den Mahlzeiten keine feste Tischordnung. Die Kabinentüren sind nicht abschließbar, Wertsachen kann man in Safes an der Rezeption aufbewahren. Alles ist darauf ausgelegt, dass die Reisenden miteinander ins Gespräch kommen.

So geht es beispielsweise auch auf traditionellen Alpenhütten schon immer zu. Was ist denn nun nachhaltig auf der Expedition ?

An Bord gibt es keine Plastikflaschen. Jeder Passagier bekommt eine Trinkflasche aus Metall geschenkt, die man an Wasserspendern kostenlos füllen kann. Auch Papier wird sparsam verwendet. Tagesprogramme, Nachrichten und die Speisekarte hängen nur an einem zentralen Informationsbrett. Die Reiseunterlagen werden digital verschickt, und nach der Reise gibt es einen Downloadlink für alle Programme, Informationsblätter der Lektoren, Seekarten und das Logbuch mit den Tiersichtungen. So werden jedes Jahr Dutzende Tonnen Papier gespart.

Was war Ihre Motivation, vor 28 Jahren G Adventures zu gründen?

Ich wollte nach Südostasien und nicht mit dem Rucksack reisen, ich musste aber. Damals hatte man nur die Wahl zwischen einer Pauschalreise und einem Hotelresort. Für mich kam beides nicht infrage, ich wollte Land und Leute kennenlernen. Also habe ich mich alleine aufgemacht.

Was war daran so anders?

Unterwegs traf ich immer große Reisegruppen in klimatisierten Bussen. Die wurden nur zu den Sehenswürdigkeiten und zurück gekarrt, haben im Hotel gegessen und sind ohne Reiseführer nicht vor die Tür gegangen. Sie bewegten sich nur innerhalb einer Hülle, die extra für sie so geschaffen worden war.

Was wollen Sie anders machen ?

Mit der Gründung von G Adventures haben wir die Art zu reisen verändert. Leute, die auf eigene Faust losgezogen sind, gab es auch schon vorher. Aber keine organisierten Angebote für Gruppen, die mit lokalen Bussen reisen, in familienbetriebenen Gasthäusern wohnen und Wert auf einheimisches Essen und den Konsum von lokal angebotenen Produkten legen.

Heute ist ein solches Reiseverhalten gesellschaftlicher Konsens.

Das Bewusstsein für nachhaltigeres Leben im Alltag ist gewachsen. Die Menschen achten auf ihr Essen, trennen Müll und leben deutlich umweltbewusster als vor zwei Jahrzehnten. Das wollen sie auch im Urlaub fortsetzen.

Reisen ist per se nicht ökologisch.

Solange man nicht zu Fuß geht oder das Fahrrad nimmt, wird man Auswirkungen haben. Man hinterlässt immer Spuren, aber man kann sie reduzieren.

Wie geht das auf Kreuzfahrten?

Wir ermutigen unsere Kunden dazu, einen CO₂-Ausgleich für ihre Flüge zu bezahlen und achten bei unseren Partnern darauf, dass sie nachhaltig arbeiten. Bei uns wird kein Steak Tausende Kilometer eingeflogen, wir kaufen auch bei Kreuzfahrten in der bereisten Region ein. Und wir engagieren uns in Umweltprojekten.

Ihre Passagiere sammeln den Müll anderer Kreuzfahrtgäste von den Stränden Spitzbergens auf.

Es ist traurig, dass manche Menschen, vor allem, wenn es ihnen so gut geht, dass sie sich eine Kreuzfahrt leisten können, so wenig Umweltbewusstsein haben. Wir wollen das vorleben, denn was wäre die Alternative zum Aufsammeln: die Müllberge liegen und weiter wachsen lassen?

Wor an erkennt man als Tourist, ob ein Urlaub halbwegs nachhaltig ist?

Das meiste Geld, das ein Tourist ausgibt, sollte im Urlaubsland bleiben. Buchen Sie nicht all-inclusive, essen Sie in den kleinen, lokalen Restaurants. Kaufen Sie bei einheimischen Händlern, nehmen Sie Taxis oder buchen Sie Ihre Ausflüge bei den Agenturen am Ort. Dann profitieren auch die Menschen im Urlaubsland vom Tourismus. Die Reiseindustrie hat viele Möglichkeiten, die Welt positiv zu beeinflussen.

Was sollten die Reiseveranstalter anders machen?

Ihre Konzepte ändern. Wenn man bei großen Tourismuskonzernen bucht, sehen die Einheimischen meist nicht sehr viel von dem Geld. Wer eine Reise bucht, sollte sich die Standards des Reiseanbieters genau anschauen.

Was können die Urlauber selbst tun?

Je größer die Nachfrage nach nachhaltigen Reisen, desto größer ist auch der Druck auf die Tourismuskonzerne, et- was zu ändern. Reisen muss fairer werden, gegenüber den Menschen in den Zielländern, aber auch gegenüber den Kunden.

Was meinen Sie damit?

Wenn jemand seine Reise wegen Krankheit oder anderer Gründe nicht antreten kann, berechnen die Reiseveranstalter hohe Stornokosten. Damit verdienen die großen Konzerne Millionen. Ich fand das unfair, darum haben wir eine lebenslange Anzahlungsgarantie eingeführt: Man kann nicht nur die volle Summe für eine andere Reise, zu einer anderen Zeit verwenden, sondern auch auf eine andere Person übertragen. Wenn man offen und fair mit Menschen umgeht, merken sie das. Das beeinflusst die Kaufentscheidung langfristig.

© SZ vom 22.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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