Tollwutgefahr auf Reisen:Die vergessene Krankheit

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Bis zu 35.000 Menschen erkranken jährlich an Tollwut. An der tödlichen Infektion kann man sich quasi auf der ganzen Welt anstecken. Doch die Gefahr wird von vielen unterschätzt. Dabei ist Schutz so leicht.

Stefan Wolf

Süß sieht er aus, der kleine Welpe. Und die niedlichen Hundeaugen. Mit dem Mischling möchte man doch sofort spielen. Das tat auch ein österreichischer Urlauber in Marokko im September 2004. Plötzlich biss der kleine Racker zu. Alles halb so schlimm, wird der Mann wohl vermutet haben. Kurz darauf starb er in Graz an den Folgen einer Krankheit, die aus dem Bewusstsein der Menschen gelöscht worden zu sein scheint: Tollwut.

Ein Hundebiss kann Tollwut übertragen. (Foto: Foto: ddp)

Bis zu 35.000 Menschen erkranken jährlich an Tollwut, so die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Tollwut gibt es quasi auf der ganzen Welt. Zwei Drittel der Fälle treten in Asien auf. Die Hälfte aller Tollwutinfektionen betrifft Kinder.

Jedes Jahr fahren mehr als vier Millionen Deutsche, in Gebiete in denen Tollwut-Risiko herrscht. Hunde sind der Hauptüberträger des Virus. Bisse, Kratzverletzungen oder Schleimhautkontakt mit infizierten Tieren reichen - und man hat die Krankheit. Auch durch Inhalation oder Transplantation kann man sich anstecken, allerdings sind diese Fälle eher selten, so Dr. Christian Schönfeld vom Tropeninstitut Berlin. Bitter: In einigen Fällen haben sich Leute infiziert, weil sie Tollwutköder, die ausliegen, angebissen haben!

Im Juni 2005 wurde eine Engländerin in der Urlaubsregion Goa in Indien von einem tollwütigen Hund gebissen. Nach ihrer Heimreise starb sie im Krankenhaus. Ob sie irgendeine Behandlung bekam, ist ungewiss.

Und wahrscheinlich hätte es der Frau auch nicht mehr geholfen. Denn "treten die Symptome einmal auf, dann ist der Tod vorprogrammiert", erklärt Schönfeld.

Dabei ist Schutz so einfach: Vorbeugung ist das Zauberwort. Drei mal einen Impfstoff gespritzt und schon kann man die Reise sicher antreten. Doch Schönfeld bemängelt: "Reisende haben oft zu wenig Ahnung von Tollwut." Eine Impfung gegen Tollwut sei heute so verträglich wie die gegen Hepatits. Am ersten, siebten und einundzwanzigsten Tag der Behandlung wird eine Dosis eines Tollwut-Impfstoffes in den Oberarm gespritzt. Einmal pieksen kostet 50 Euro. Wird der Urlauber oder Geschäftsreisende dann von einem Tier, bei dem Tollwut vermutet wird, gebissen, so ist lediglich noch eine Auffrischungsdosis nötig und damit der Schutz garantiert. Auch Kinder vertragen die Impfung. Zwei bis fünf Jahre lang hält der Schutz.

Elf Menschen wurden in einer Urwaldregion in Brasilien im Juni 2005 von Vampirfledermäusen gebissen und tödlich infiziert. In Amerika zählen Fledermäuse zu den Hauptüberträgern.

Nicht nur der Biss, sondern auch die schlechte medizinische Versorgung ist gefährlich. "Richtig guten Wirkstoff gibt es fast nur in Deutschland", so Schönfeld. In Afrika, Asien oder auch Südamerika werde teilweise noch mit 30 Jahre alten Methoden gearbeitet. "Da wird einem dann eine milchige weiße Brühe in den Bauch gespritzt, jeden Tag, das ist unverantwortlich." Schönfeld empfiehlt, in solchen Fällen die Behandlung zu unterlassen und nach Deutschland zurück zu fliegen.

Dann doch lieber vorher schützen: Wird man von einem Tier gebissen, sollte man die Wunde sofort mit Seife und Wasser zehn Minuten lang auswaschen. Darauf folgt die Auffrischungsspritze, wenn man vorgebeugt hat.

Eine 26-Jährige kommt mit starken Kopfschmerzen und Bewusstseinstrübungen von einer Indienreise zurück. Ende Dezember 2004 stirbt die Frau. Sechs Patienten erhielten Organe von ihr. Drei starben 2005 an Tollwut.

Allerdings gibt es viele, die die Gefahr unterschätzen. Eine nachträgliche Impfung ist nicht möglich. Wird man von einem Tier mit Tollwutverdacht gebissen, ist die Ungewissheit groß. Denn der Virus kann während der Inkubationszeit nicht festgestellt werden. Erst wenn die Symptome auftreten, wissen die Ärzte Bescheid, aber dann ist es eben zu spät.

Wird man von einem tollwütigen Tier gebissen und ist nicht geschützt, sollte man die Wunde ebenfalls zehn Minuten lang auswaschen, sich dann sofort impfen lassen und die Wunde mit dem Wirkstoff Immunglobulin behandeln lassen. Dieser Stoff kann verhindern, dass die Viren in das Nervensystem gelingen. Das Problem: "Tollwut ist eine Krankheit, die im Gehirn stattfindet", so Schönfeld, "und häufige Verletzungen, gerade bei Kindern, sind Bisswunden am Kopf." Der Weg zum Gehirn ist also kurz. Und wer einmal Tollwut hat, der stirbt daran.

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