Telefonieren im Flugzeug:Demnächst geht das Handy in die Luft

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Voraussichtlich Ende 2006 wird das Telefonieren in Passagier-Flugzeugen möglich. Muss das überhaupt sein? Viele Fluggäste befürchten plappernde Sitznachbarn.

Andreas Spaeth

"Bitte schalten Sie jetzt ihre elektronischen Geräte aus, insbesondere Mobiltelefone", heißt es heute vor jedem Flug, nachdem die Türen der Maschine geschlossen wurden.

Fortschritt oder Belästigung? Telefonoieren im Flugzeug soll bald erlaubt sein. (Foto: Foto: Photodisc)

Bisher ist die Nutzung von Handys im Flugzeug bei Strafe verboten, weil man in der Luftfahrt davon ausgeht, dass der stark strahlende Sendersuchlauf eines eingeschalteten Mobiltelefons die empfindliche Bordelektronik stören und Flugzeuge damit sogar zum Absturz bringen kann.

Nachgewiesen werden konnte eine solche gefährliche Störung allerdings nie zweifelsfrei, da sich die Abläufe kaum reproduzieren lassen.

"Wir gehen davon aus, das bisher schon zehn Prozent aller Handys bewusst oder aus Versehen während des Fluges an geblieben sind", räumt Rainer von Borstel ein, Manager für Kabinenelektronik bei Airbus.

Lösung von selbst

Ab Ende 2006 wird sich dieses Problem zunehmend von selbst lösen - denn dann werden in Europa die ersten Linienmaschinen weltweit abheben, die speziell für das Senden und Empfangen der Signale von Mobiltelefonen ausgerüstet sind.

Das Thema Handy an Bord beherrschte in dieser Woche das jährliche Treffen der Branchenorganisation World Airline Entertainment Association (WAEA) in Hamburg, bei der sich Vertreter von 72 Fluggesellschaften und 175 Herstellerfirmen aller Bereiche der Kabinenunterhaltung und Bordkommunikation trafen.

Telefonieren im Flugzeug ist an sich nichts Neues - schon seit 1984 gibt es in den USA diese Möglichkeit mit terrestrischer Übertragung des Signals durch Bodenstationen. Mehr als 5000 Flugzeuge, rund ein Viertel der weltweiten Flotte, verfügen heute über Bordtelefone.

Gegen die Langeweile

Seit 2004 bietet das System Connexion by Boeing auch Live-Internet-Zugang, was inzwischen zum Beispiel auf den meisten Lufthansa-Langstrecken verfügbar ist.

"Doch jetzt wächst eine Generation heran, die mit dem Handy aufgewachsen ist und einfach gelangweilt wäre, wenn sie ihr Mobiltelefon nicht nutzen kann", erklärt Airbus-Manager von Borstel.

"Auf Kurzstreckenflügen in Europa während des Tages gehört das Handy einfach zum normalen Arbeitstag", findet George Cooper, Chef der Firma OnAir, die gemeinsam mit Siemens und Airbus das Handy flugtauglich macht.

Während die Nutzung der bisherigen Telefon- und Internet-Einrichtungen eher hinter den Erwartungen der Branche zurückblieb, erwartet man von der Handynutzung riesige Einnahmen: "Bis 2009 werden 1,6 Milliarden Dollar pro Jahr allein an Telefongebühren über den Wolken mit Mobiltelefonen anfallen", schätzt George Cooper.

Zunächst wird die Einheit mit dem eigenen Handy rund zwei Euro pro Minute kosten, in sechs Jahren dann nur noch 1,20 Euro. Ende 2006 sollen zunächst drei Airbus A321 der TAP Air Portugal sowie zwei bis drei Airbus A320 der britischen Airline bmi Handy-tauglich sein.

Spezielle Verkabelung

Rund 250.000 Euro kostet die Umrüstung pro Flugzeug, die inklusive der nötigen Satellitenantenne weniger als 80 Kilogramm zusätzliches Gewicht an Bord bringt - nur ein Zehntel dessen, was das Connexion-by-Boeing-System wiegt.

Voraussetzung für die Handy-Nutzung ist ein spezielles Antennenkabel, das durch die gesamte Länge der Kabine verläuft und damit dem einzelnen Handy sehr nahe ist, was eine niedrige Strahlungsintensität und ein klares Signal bedeutet. Die Antenne ist verbunden mit einer bordeigenen Basisstation, die gerade mal drei Kilo wiegt.

"Die Handys sind an Bord über einen eigenen Kanal angebunden, der die Avionik des Flugzeugs nicht stört", sagt Josef Kolbinger, der als Siemens-Ingenieur das System mit entwickelt. Ein Handyserver komprimiert dann die Datenmenge der ein- und ausgehenden Gespräche, damit der Satellit nicht überlastet wird. "Pro Basisstation können 14 Gespräche gleichzeitig geführt werden, üblicherweise werden die Fluggesellschaften eine oder zwei davon installieren", so Kolbinger.

Gut für den Frieden an Bord?

Bis Mitte 2007 soll das System dann auch in anderen Teilen der Welt und auf Langstrecken verfügbar sein, wo Telefongespräche auf anderen Frequenzen stattfinden als in Europa.

Auf den von Ende 2006 an geplanten Flügen mit Handy-Nutzung soll vor allem erprobt werden, wie der Frieden an Bord trotz endlos plappernder Sitznachbarn erhalten werden kann.

"Das System lässt sich ausschalten oder so einstellen, dass nur SMS empfangen und gesendet werden können oder Handys nur bei abgestelltem Klingelton funktionieren", so von Borstel. Airbus schlägt den Fluggesellschaften außerdem vor, in der Kabine spezielle Zonen zum Telefonieren einzurichten, damit andere Passagiere nicht gestört werden.

© SZ vom 24. 9. 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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