Tarifsysteme:Von der Konkurrenz gelernt

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Unter dem Druck der Low-Cost-Carrier haben etablierte Airlines wie Lufthansa und British Airways Billigtarife auf den meisten Europarouten eingeführt

CATHARINA PUPPEL

Noch vor zwei Jahren war die Welt der Liniencarrier klar geregelt. Günstige Tickets gab es allenfalls, wenn man sie zwei Monate im Voraus buchte und über ein längeres Wochenende blieb. Wer günstig abheben wollte, der musste die Restriktionen kennen - das war die Kunst der Schnäppchenjäger. Heute sieht es anders aus: Unter dem Druck der Low- Cost-Carrier haben inzwischen etablierte Airlines wie Lufthansa und British Airways konditionslose Billigtarife auf den meisten Europarouten eingeführt. Seit Anfang des Jahres wirbt der Kranichcarrier beispielsweise mit innerdeutschen Return-Tickets ab 109 Euro (inklusive 10 Euro Internet-Service-Charge) - ein Tarif, der sich durchaus mit den Angeboten der Low-Cost-Airlines messen kann. Bedingungen gibt es keine. Das Tarifsystem ist fein getuned. Die Buchungsklasse wird nach der erwarteten Nachfrage, der jeweiligen Auslastung der Maschine und aktuellen Ereignissen offen gehalten oder geschlossen.

Auch bei der Kranich-Linie gibt es schon Billig-Tickets. (Foto: Foto: DDP)

Christian Tilmanns, der als Leiter Netzsteuerung auch das Preissystem der Lufthansa Passage Airline verantwortet, muss sich täglich neu auf Kundenbedürfnisse und Marktgegebenheiten einstellen. "Inzwischen haben wir unser Portfolio vor allem nach unten erweitert. Preise, die wir früher nur in Sonderaktionen gewährt haben, gelten jetzt als Ganzjahrestarife für Frühbucher", erklärt er. Im Konkurrenzkampf um Geschäftsreisende sieht der LH-Manager die Kranichlinie nach wie vor gut aufgestellt: "Wenn bei dba zum Beispiel ein vollflexibles Business-Ticket von Köln nach Berlin und zurück fix 350 Euro kostet, liegen wir bei 380 Euro." Damit die Lufthansa auch in Zukunft konkurrenzfähig bleiben kann, wird sie nach Ansicht von Branchenkennern gut daran tun, dezentrale Strecken an den hauseigenen Low- Cost-Ableger Germanwings abzutreten.

Unterdessen testet Tilmanns mit immer neuen Projekten die Kundenresonanz. Einer der jüngsten Versuchsballons sind Oneway-Tickets. Auf ausgewählten Routen in Warmwasserziele wurde das Buchungsinteresse für Oneway- Flüge überprüft. "99,9 Prozent unserer Kunden wollen wieder zurück", weiß Tilmanns, der damit einem prinzipiellen Oneway-Verkaufssystem beim deutschen Homecarrier eine Absage erteilt.

Auch Jörg Tünsmeyer macht sich derzeit Gedanken, wie den Low-Cost-Anbietern auf den heftig umworbenen Routen von und nach London die Stirn zu bieten ist. Der Commercial Manager Germany der British Airways muss täglich etwa 75 Flüge zwischen England und Deutschland verkaufen. Innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre hat sich durch den Markteintritt von Ryanair und Easyjet sein Geschäft massiv gewandelt. Aufgrund des Drucks aus dem Markt wurden im Herbst 2004 die bis dahin erforderlichen Mindestaufenthalte bei günstigen Flügen abgeschafft. Binnen der nächsten zwei Monate soll nun ein übersichtliches Tarifmodell mit festgelegten Einstiegspreisen die Attraktivität der BA erhöhen. "Dabei wollen wir jedoch nicht die Superbilligangebote der Low- Coster matchen", betont Tünsmeyer. Ihm schwebt vor, drei unterschiedliche Kategorien für Rückflugtickets zu fixieren. Flüge nach London-Heathrow sollen dabei von allen deutschen Flughäfen - wie bereits ab Köln - zu einem Einheitspreis um 100 Euro zu haben sein. "Für Birmingham und Manchester sowie Schottland müssen wir aufgrund der längeren Flugzeit entsprechend mehr verlangen", erklärt Tünsmeyer. Damit der BA-Manager schwarze Zahlen schreiben kann, muss er auf jeder Strecke im Schnitt 80 bis 90 Euro pro Sitz verdienen. Nicht zuletzt deshalb wird sein Fokus auch in Zukunft auf Geschäftsreisenden liegen, die, um flexibel unterwegs sein zu können, nicht die billigste Ticketkategorie buchen.

Die großen Fluglinien müssen umdenken. (Foto: Foto: Reuters)

Während die BA noch an ihren Tarifen feilt, hat Air France vor zwei Wochen bereits ihr neues Tarifmodell mit einheitlichen Preisen für Flüge von Deutschland ins europäische Ausland, außer Frankreich, vorgestellt. Alle Verbindungen gehen dabei als Umsteigerverkehr über Paris. Zwar wurde die Vorausbuchungsfrist für den günstigsten Preis von 42 auf 28 Tage reduziert. Aber dieser Flyby28- Tarif ist noch immer mit Konditionen wie einem dreitägigen Mindestaufenthalt oder einer Übernachtung von Samstag auf Sonntag gekoppelt. Trotz der restriktiven Buchungsregelung betont Franck Thiebaut, der Deutschland- Chef von Air France: "Wir reagieren mit der neuen Preisstruktur nicht nur auf die Billigflieger, sondern auch auf die Erwartungen unserer Kunden." Künftig kostet ein Ticket nach England oder in die Schweiz 28 Tage vor Abflug 110 Euro zuzüglich Steuern und Gebühren. Bei einer Buchung sieben Tage vor dem Reisetermin sind 240 Euro (zuzüglich Steuern und Gebühren) zu zahlen.

Flüge direkt nach Frankreich berücksichtigt das neue Tarifkonzept nicht. Verbindungen in die Grande Nation, die in starker Konkurrenz auch Lufthansa, Easyjet, Ryanair und Germanwings bedienen, können schon seit längerem zu attraktiven Preisen gebucht werden. So kostet ein Return-Ticket von Düsseldorf nach Paris in der günstigsten Kategorie 114 Euro. Die Vorausbuchungsfrist für die Paris-Routen beträgt allerdings satte 42Tage.

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