Station 12: Dungarpur:Perle in einer grauen Schale

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Kunwar Harshvardhan Singh, der Maharawal von Dungarpur, besitzt nicht nur ein Hotel, sondern auch den alten Palast am Ende der Stadt - und mit ihm eine der größten Freskensammlungen Indiens.

Nur der Palastwächter weiß, welche Schätze sich im Inneren des Palastes befinden ... (Foto: Foto: Thomas Krull)

Als wir vor dem Familiensitz unseres Gastgebers stehen, sind wir zunächst enttäuscht. Die Bilder des Taschen Buches "Indian Interiors" im Kopf, hatten wir nicht unbedingt einen alten, fünfstöckigen Kasten erwartet, dessen Mauerwerk unter dem Putz zum Vorschein kommt. Es riecht nach altem Staub, in den Türwinkeln hängen Spinnenweben, Rost hat angesetzt.

Sobald wir das baufällige Gebäude betreten, wird uns klar: Wir haben eine Auster vor uns, deren abweisende graue Schale es erst zu überwinden gilt, bevor man die Perle zu sehen bekommt. Mit gewichtigen Schritten führt uns der Adlige zum ersten Saal und lässt den alten Palastwächter die schweren Holztüren öffnen. "Dies ist der Thronsaal", erklärt er uns, "vom 13. Jahrhundert an wurden hier 500 Jahre lang Urteile gesprochen, Gäste empfangen, Herrscher gekrönt."

Wir sind überwältigt von der Pracht. Die rosafarbenen Wände des 200 Quadratmeter großen Raumes schmücken Kriegs- und Jagdszenen. Viele kleine Kunstwerke setzen sich zu einem großen zusammen. Kein Fleckchen des Saales, der nicht mit Malerei oder in den Putz eingelassenen bunten Gläsern geschmückt wäre. Auf dem mit Teppich ausgelegten Boden türmen sich am Ende des Raumes dicke Samtkissen. In Rajasthan benutzten Herrscher keinen Thron, wie unser adeliger Reiseführer erläutert, der Maharawal hätte zu offiziellen Anlässen auf diesen Kissen Platz genommen.

Wir folgen unserem Gastgeber über die enge, gemauerte Treppe in die nächste Etage: das Wohnzimmer. Ebenso groß wie der erste Raum, genauso reich verziert mit Malereien und Mosaiken. Doch die einst so prächtigen Wandbemalungen sind zum Teil stark zerstört. "Es erschüttert mich, machtlos mit ansehen zu müssen, wie das Erbe meiner Ahnen verfällt. Der Staat steuert keine Fördermittel bei, man kann nur bei privaten Organisationen um Hilfe bitten, schließlich gilt es die Tradition zu wahren."

Zur Tradition gehört auch das Schränkchen in der dritten Etage, das uns der muslimische Wächter schmunzelnd öffnet. Als wir sehen, was sich in dem Schrein verbirgt, müssen wie ebenfalls grinsen. Auf über 50 Holztäfelchen führen uns Pärchen verschiedene Stellungen vor. Kamasutra - die indische Liebeskunst. Teils vertrautes, teils akrobatisches ist zu sehen. Obwohl die Art der Darstellungen uns bekannt ist - die Originale sind beeindruckender.

Weiter windet sich die Treppe hinauf in den zentralen Turm der Festungsanlage. Einer der Räume ist gerade mal 20 Quadratmeter groß und von oben bis unten verspiegelt - die Wände, die Decke und sogar der Boden. Man mag den Raum kaum betreten, aus Angst, die Spiegel könnten unter der Last des Besuchers zerbrechen. Fast unmöglich, hier ein Foto zu machen, auf dem man selbst nicht zu sehen ist.

Vorsichtig tasten wir uns die Stolpertreppen hinunter. Dieses Haus mit seinen geheimen Kämmerchen und prachtvoll bemalten Sälen ist faszinierend. Doch Kunwar Harshvardhan Singh und seine Familie wohnen nicht hier. "Wir gingen, als die Engländer kamen. Dieses Haus ist eine Festung, und Verteidigung war das letzte, woran man noch denken musste. Außerdem gefiel uns der Stil der neuen Herren besser. Also verließen meine Vorfahren im 19. Jahrhundert dieses Gebäude und zogen in den neuen Palast unten am See."

Wenn Sie uns zum neuen Sitz der Familie begleiten wollen, kommen Sie doch mit ins Udai Bilas.

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