Sommer in der Stadt:Rimini ist überall

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In vielen deutschen Metropolen kann man mit U-Bahn, Bus oder dem Fahrrad zum künstlich angelegten Sandstrand gelangen.

Von Fridolin Weindl

Zu Hause ist es einfach am schönsten - das scheint auch dieses Jahr wieder das Motto vieler deutscher Urlauber zu sein. Laut einer ADAC-Studie liegt das eigene Land in der Rangliste der beliebtesten Reiseziele ganz vorn. Spanien und Italien folgen weit abgeschlagen. Kein Wunder, braucht man doch für Palmen, Liegestuhl und Sandstrand nicht weit zu reisen. In vielen deutschen Großstädten gibt es mittlerweile feinkörnige Sandstrände und maritimes Urlaubsgefühl mitten im Zentrum.

Am Bundespressestrand in Berlin relaxen auch bedeutende Persönlichkeiten. (Foto: Foto: AP)

In der Streusand-Büchse des Landes

Allein Berlin hat drei große sandige Strände zu bieten. "Wir waren die Ersten", sagt Christian Schulz, Chef der Berliner "Strandbar-Mitte". Bereits im Juni 2002 hatte er die Idee, einen Sandstrand in der Berliner Innenstadt anzulegen. 70 Tonnen Sand hat er aus der nächstgelegenen brandenburgischen Sandgrube ankarren und im Monbijou-Park gegenüber der Museumsinsel am Spreeufer aufschütten lassen.

"Ich wollte den Gästen meines Open-Air-Theaters nach den Vorstellungen auf dem Gelände auch Speisen und Getränke anbieten. Weil der Boden des Parks ohnehin zum großen Teil aus Sand bestand, kam mir die Idee, einfach noch mehr Sand aufzuschütten und einen Strand nach südländischem Vorbild anzulegen", sagt Schulz.

Der Erfolg war enorm. Mittlerweile betreibt der Vater des deutschen Stadtstrandes sogar einen zweiten Strand in Berlin: Der "Oststrand" liegt am Spreeufer in Friedrichshain hinter der Eastside Gallery. Dort hat Schulz im vergangenen Sommer 1000 Tonnen echten Ostseesand anhäufen lassen und statt Palmen eine Open-Air-Pizzeria mit original neapolitanischem Pizzaofen gebaut. Damit sich die Berliner hier in strandtauglicher Figur präsentieren können, gibt es morgens von Montag bis Freitag Frühsport unter Anleitung.

Auch im Regierungsviertel kommt die sandige Idee an

Am "Bundespressestrand" legen sich Hauptstädter in der Hoffnung auf Sonne auf Handtücher oder in Strandkörbe ans Spreeufer. Ab und zu krempeln auch Politiker die Hosenbeine hoch, stecken die Füße in den Sand und kühlen ihre Gemüter nach hitzigen Debatten mit einem Drink im Liegestuhl.

Wegen Bauarbeiten musste der "Bundespressestrand" dieses Jahr auf die andere Spreeseite umziehen. Auf 1000 Quadratmetern Sandstrand kann man jetzt seinen Cocktail zwischen Paul-Löbe-Haus und Kronprinzenbrücke im Ostseestrandkorb mit Blick auf die Reichstagskuppel schlürfen. Weil dieser Sommer mit dem so genannten Jahrhundertsommer 2003 nicht mithalten kann, haben die Strandbetreiber zehn Heizpilze und Pavillons gekauft.

Schon wieder in Berlin: "Strandbar-Mitte" (Foto: Foto: kitschfoto.de)

Die Berliner sind ganz offensichtlich begeistert: Etwa 100.000 Gäste kamen voriges Jahr zum City-Strand, trotz der kühlen Temperaturen verzeichnen die Betreiber in diesem Jahr schon jetzt mehr Besucher.

In ganz Deutschland haben Städte die Berliner Idee aufgegriffen und sich einen Sandstrand mitten in die City geholt. Jüngstes Beispiel: Mainz. Dort können Stadturlauber seit knapp drei Wochen auf 250 Metern Länge direkt am Rheinufer ganz im Stile von Timmendorf oder Westerland im Liegestuhl dösen oder Ball spielen. 40 bis 50 Zentimeter Sandhöhe reichen auch aus, um die eine oder andere Burg zu bauen, und als besondere Attraktion des Mainzer Rheinstrands bietet ein Wassersportzentrum Wasser- und Jet-Ski zum Verleih an.

Die S(tr)and-Neulinge

Neulinge unter den Städten mit eigenem Strand sind auch Frankfurt am Main und Köln. Der "King Kamehameha Beach Club" auf der Hafeninsel im Main wirbt mit drei Beachvolleyball-Plätzen und Sonnenuntergängen vor der Frankfurter Skyline. In Köln liegt der Sand auf den Rheinterrassen. Mit etwas Glück ergattert man im "Km 689 Cologne Beach Club" eine Hängematte mit Blick auf den Dom.

Ein Stück rheinabwärts ist die sandige Promenade längst fester Bestandteil des Stadtlebens. Im schicken Medienhafen machen sich viele Düsseldorfer nach Büroschluss auf "Monkey's Island" auf die Suche nach einem freien Liegestuhl und kühlen Drinks. Verschiedene Bars, feiner Sand, Palmen und der Panoramablick auf Rheinbrücke, Landtag und Fernsehturm sollen auch diesen Sommer wieder viele Strandgäste anlocken. Im vergangenen Jahr zählten die Betreiber täglich durchschnittlich 6000 Besucher.

Steife Brise unter Palmen

Weiter nördlich bietet Hamburg gleich viermal künstliche Dünen unter Palmen. Der Sand kommt aus Helgoland, allerdings stehen viele Liegestühle gegenüber Deutschlands größten Docks, und auch die steife Brise ist beim Strandbesuch inklusive. Entlang der Hafenmeile treffen sich am ehemaligen Straßenstrich jetzt Bikini-Mädchen und Beachvolleyballer genauso wie sonnenbebrillte Feierabendbiertrinker und Familien.

Recht dürftig sieht es mit Stadtstränden hingegen bislang im Süden aus: Selbst die Münchner genießen das "Isarflimmern" weiterhin auf den Kieseln am Flaucher.

Im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt sollen indes noch im August Lastwagen mit rund 120 Tonnen Sand anrücken und das Neckarufer am Sailerwasen in eine 450 Quadratmeter große Dünenlandschaft verwandeln.

Ungetrübte Strandfreuden aller Orten, so scheint es. Aber im Osten steht Ärger ins Haus. Bis vor kurzem durften die Sachsen noch ausgelassen zwischen spanischen Palmen an der "Côte de Sax" am Dresdner Elbufer feiern. Jetzt ist Schluss mit der Sand-Party. Die Untere Naturschutzbehörde hatte vor dem Dresdner Verwaltungsgericht die Schließung durchgesetzt. Ähnlich wie bei den bayerischen Biergärten fühlten sich auch hier die Nachbarn abends in ihrer Ruhe gestört. Der Strand lag außerdem im Landschaftsschutzgebiet.

Wenn zwei sich streiten

Und wie so oft, wenn sich zwei streiten, freut sich ein Dritter: Kaum haben die einen die Sonnenschirme zusammengeklappt, rücken an anderer Stelle schon Laster mit Sand, Palmen und Liegestühlen an. An der Albertbrücke entsteht dieser Tage mitten in der Stadt der 1000 Quadratmeter große "Bounty Beach".

"Ein Strand nach karibischem Vorbild an der Elbe, mitten im Unesco-Weltkulturerbe", schwärmt Strandchef Rico Kunze. Einen Monat lang können die Dresdner dann urbane Urlaubsfreude und den Blick auf die Elbe ohne Hochwasser vom Strandkorb aus genießen.

Das wirtschaftliche Konzept, das hinter der sandigen Geschäftsidee steckt, ist überall das gleiche. Eintritt kosten die wenigsten Strände, bei den meisten muss man aber einen Mindestverzehrbon kaufen, den man dann an der Strandbar gegen Essen und Getränke einlösen kann.

Und was passiert mit den Stadtstränden im Winter? Auf der Affeninsel in Düsseldorf wurden im vergangenen Jahr eine Schlittschuhbahn und Glühweinstände aufgebaut. Und die Berliner Strandkörbe und Sonnenschirme warteten im Übersee-Container auf den nächsten Sommer.

© Süddeutsche Zeitung vom 3. 8. 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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