Skifahren in Kanada:Vorsicht, Suchtgefahr!

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Wer einmal von einem Gipfel aus in die schneebedeckten Weiten Albertas geblickt und danach seine Spur in hüfttiefen "Champagne Powder" gelegt hat, dürfte für europäische Skigebiete verloren sein.

Winterurlaub in der kanadischen Provinz Alberta hat einen großen Nachteil: Er kann süchtig machen. Zurück in der Hektik Europas, sehnt sich der Skiläufer anschließend nach der Weite der Prärie und der Stille in den Rocky Mountains.

Mit verträumten Augen berichten Kanada-Reisende von tief verschneiten Bergwäldern, menschenleeren Pisten, dem "Champagne Powder" und der Gelassenheit der Kanadier. "Ski fahren ist hier echt lässig", schwärmt auch Deutschlands Slalomstar Felix Neureuther.

Neben den Pisten gibt es viele Abfahrten im freien Gelände - nicht nur für Könner, sagt der Skilehrer und Kanada-Experte Bap Koller: "Dank des trockenen Pulverschnees fährt jeder hier ein bis zwei Klassen besser." Bis zu zehn Meter Schnee pro Jahr verwandeln die Rockies von November bis April in eine weiße Winterlandschaft.

Aber es sind nicht nur der Schnee und die Umgebung, die hier ganz anders sind als in den Alpen, es ist auch der "Canadian way of skiing", wie der Skiführer Bart Donnelly es nennt: Am Lift wird nicht gedrängelt, auf der Piste nicht gerast und beim Après-Ski weder gegrölt noch gesoffen.

Große Ölvorkommen haben die Metropole Calgary, den Austragungsort der Olympischen Winterspiele 1988, reich gemacht. Dazu kommt noch der Tourismus in den 80 Kilometer entfernten Rocky Mountains, denn der prägt Albertas Image in der Welt.

Gerade bei deutschen Touristen ist das Skifahren in Kanada beliebt. So schwärmt der bayerische Kanada-Spezialist Stumböck-Club vom "30 Prozent Buchungsplus" in Bezug auf die Attraktivität des Landes auf die Deutschen.

Schon 1885 wurde die Region um Banff zum Nationalpark erklärt. Mit Norquay und Sunshine liegen zwei Skigebiete hier vor der Haustür, nach Lake Louise ist es nur rund eine Stunde. In Kanada ist das wie um die Ecke. Alberta ist nichts für Automuffel - wer mehrere Skigebiete kennenlernen will, kommt sich vor wie in einem Roadmovie.

Norquay ist nach dem zehnstündigen Flug perfekt zum Einfahren - mehr aber nicht. Ein anderes Kaliber ist Sunshine: 107 Abfahrten ziehen sich bis in die Nachbarprovinz British Columbia - leichte Touren durch den Wald, aber auch Höllenritte wie der "Delirium Dive". Das Gefälle von bis zu 50 Prozent lehrt fast jeden das Fürchten. Nach dem Husarenritt treffen sich dann alle an der Basisstation Sunshine Village, Kanadas höchstgelegenem Skiort in 2160 Metern Höhe.

Lake Louise - Willkommen im Paradies

Das höchste Glück für Skifahrer in Alberta ist Lake Louise, wo Ende November die Weltcuprennen stattfanden. "Nirgendwo ist das Panorama eindrucksvoller als von der Gipfelstation des 'Top of the World'-Lifts", verspricht Hans König. Der deutschstämmige Architekt macht den Skilehrer-Job am Wochenende nur zum Spaß. Und den hat er offensichtlich, wenn er in rasanten Schwüngen in die "Powder Bowls" eintaucht.

Im Norden reiht sich ein Bergrücken an den nächsten. Der Blick nach Süden dagegen schweift über sonnige Abfahrten zur Talstation und bis zum zehn Kilometer entfernten Hotel "Fairmont Chateau Lake Louise". Wie aus einem Disney-Wintermärchen entsprungen liegt es unterhalb des Victoria-Gletschers. Auf dem zugefrorenen See, dem Lake Louise, wird Eishockey gespielt, Kanadas Volkssport Nummer eins.

Böse Zungen spotten, Lake Louise sei eine Kreuzung mit Tankstelle. Wer sich das Chateau als Unterkunft nicht leisten will, ist daher in Banff besser aufgehoben. Dort lässt es sich zwischen Cafés und Boutiquen prima bummeln und einkaufen.

Viel Schnee, wenig Menschen

Ein krasses Kontrastprogramm bietet Castle Mountain, vier Stunden mit dem Auto weiter südlich gelegen. Wer aus Banff in Castle Mountain ankommt, hat einen Kulturschock zu verdauen: Das einzige Hotel ist eine bessere Jugendherberge. Es ist zwar günstig und sauber, aber es gibt klare Regeln: "Wer mit Schuhen durchs Haus läuft, zahlt 100 Dollar Strafe", steht am Empfang. Im Skigebiet gibt es nur fünf Lifte, alles ausgemusterte Exemplare aus Sunshine und aus den USA.

Zehn Meter Pulverschnee gibt es pro Jahr, und fast niemand ist auf der Piste. Das ist ein Paradies für Könner wie Scott Mundell, der den Gästen scherzhaft einen Schnorchel präsentiert, "um im tiefen Pulver überhaupt noch atmen zu können". Nicht einmal 1700 Wintersportler pro Tag verlieren sich in dem Skiareal. In St. Anton am Arlberg in Tirol sind manchmal fast zehn Mal so viel unterwegs.

Wirtschaftlich lohnen kann sich das für das Cowboy-Kaff nicht. Als die Gemeinde das Verlustgeschäft vor zehn Jahren aufgab, gründeten fünf Ski-Fans eine Genossenschaft und retteten dadurch das Skigebeit. Heute gibt es in Castle Mountain neben der einzigen Kneipe auch erste Ferienwohnungen und sogar ein Steakhouse.

Trotz seines Wachstums will Castle Mountain seinen skurrilen Charme behalten. Dafür sorgt zum Beispiel "Huggin Mary": Statt die Liftpässe per Scanner zu kontrollieren, drückt sie jeden Skifahrer fest an sich und wünscht "A great day!". Sie verkörpert das Kanada, das süchtig macht.

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