Sicherheit beim Handgepäck:Der Ärger häuft sich tonnenweise

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Ein Jahr nach Einführung der neuen Handgepäcksvorschriften wachsen Müllberge und Verdruss auf deutschen Flughäfen weiter. Eine Zunahme der Sicherheit bezweifeln die Airportbetreiber.

An den deutschen Flughäfen hält sich der Ärger über die vor einem Jahr eingeführten schärferen Sicherheitsvorschriften. Flüssigkeiten im Handgepäck sind seit dem 6. November 2006 europaweit nur noch in separaten Beuteln und kleinen Packungen unter 100 Milliliter erlaubt, um so Anschläge mit Flüssigsprengstoffen zu verhindern.

Tonnenweise Müll seit der Einführung der neuen Sicherheitsvorschriften für Handgepäck (Foto: Foto: ddp)

Die Schlangen an den Kontrollstellen sind zwar inzwischen kürzer geworden, doch die Flughafenbetreiber berichten immer noch von tonnenschweren Abfällen, die schlecht informierte Passagiere tagtäglich am Boden lassen müssen. Der Aufwand stehe zudem in keinem Verhältnis zum Sicherheitsgewinn, sagt die Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) und verlangt eine Überprüfung der Richtlinie.

Den meisten Ärger gibt es nach wie vor in den Transitbereichen der großen internationalen Flughäfen in Frankfurt und München. In unschöner Regelmäßigkeit müssen sich Passagiere aus Nicht-EU-Ländern ihre gerade im Duty Free Shop von Singapur oder Dubai erstandenen Alkoholika oder Parfüms abnehmen lassen. "Da fliegen schon mal die Flaschen", berichtet ein Insider.

Passagiere, die aus EU-Ländern kommen und umsteigen, dürfen ihre am Einsteigeflughafen eingeschweißten Flaschen nach Auskunft des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport dagegen auf die Weiterreise mitnehmen.

Weiterer Ärger ist programmiert, wenn die Reisenden ihre mitgebrachten Schnapsflaschen an Ort und Stelle leeren, was auch schon vorgekommen ist. "Der Kapitän des Anschlussfliegers hat den Mann dann aus Sicherheitsgründen nicht mehr mitgenommen." Absurderweise dürften die Leute ihren Sprit sogar behalten, wenn sie in Frankfurt aus- und nicht nur umsteigen würden. Auch dürften sie nach den EU-Regeln auf ihren Anschlussflug durchaus größere Mengen Flüssigkeiten mitnehmen - sofern sie aus dem Duty Free ihres Umsteigeflughafens stammen.

"Die Regelung macht den Flughäfen nach wie vor richtig viel Arbeit", sagte der Sprecher der Berliner Flughäfen, Ralf Kunkel. "Viele Reisende haben sie vergessen oder wissen es trotz der zahlreichen Aushänge gar nicht." Die Folge: In Tegel und Schönefeld landen jede Woche vier Tonnen Getränkeflaschen, Marmeladen, Haar- und Duschgels, Zahnpasta und Cremes im Müll.

"Die Regelung ist einfach zu kompliziert und nicht praxistauglich", sagt der Düsseldorfer Flughafensprecher Torsten Hiermann. Schon der Name Flüssigkeitsverordnung führe die Passagiere in die Irre, denn tatsächlich landen auch viele Cremes und Pasten in den Mülleimern vor den Flugsteigen. Ein nicht unerheblicher Teil des Mülls bestehe aus Lebensmitteln, die Urlauber mit in ihr Zielland nehmen wollten. Lediglich die Vielflieger hätten sich schnell auf die komplexen Vorschriften eingestellt.

"Für unsere Gäste ist das einfach keine gute Erfahrung, wenn sie ihren in Südafrika gekauften Wein auf der Reise nach Berlin beim Umsteigen in Frankfurt abgeben müssen", sagt Lufthansa-Sprecher Michael Göntges. Die Fluggesellschaft begrüßt die Initiative aus dem Europa-Parlament zur Überprüfung der Richtlinie, die bislang aber abgeblockt wurde.

Zentrale Forderung der Luftverkehrsindustrie ist es, dass ihre Passagiere möglichst nur einmal zu Beginn der Reise überprüft werden. Über dazu notwendige internationale Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung der Sicherheitsmaßnahmen wird seit Jahren verhandelt.

"Wer zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen anordnet, muss auch den Beweis antreten, dass sie tatsächlich zu mehr Sicherheit führen", sagt Wilhelm Bender, Chef des größten deutschen Flughafens in Frankfurt. Dieser Beweis steht auch nach Auffassung des Verbands ADV noch aus. Die Frankfurter Betreibergesellschaft Fraport hat mehr als 300 zusätzliche Kontrolleure eingestellt und sammelt immer noch täglich zwischen 2,5 und 3 Tonnen Flaschen und Tiegel ein. Das ist zwar weniger als vor einem Jahr, aber nach Fraport-Einschätzung "ein Sockel, der so bleiben wird".

Immerhin ist man am Main wie auch zuerst in Düsseldorf dazu übergegangen, nicht mehr den gesamten Müll unbetrachtet zu verbrennen. Originalverpackte Kosmetika oder Getränke finden inzwischen den Weg zu caritativen Organisationen, die sie verteilen oder auch verkaufen. Davon ausgenommen sind Alkoholika, die der Flughafen Düsseldorf direkt an eine Brennerei verkauft, die daraus Industriealkohol macht. "Unsere Kosten kommen damit aber lange nicht rein", sagt Hiermann.

© sueddeutsche.de/dpa/ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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