Rekordversuch am Mount Everest:Ikarus in eisigen Höhen

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Angelo D'Arrigo will mit einem Drachensegler über den 8848 Meter hohen Mount Everest fliegen. Bereits kleine Fehler könnten ihn das Leben kosten.

Von Stephan Bernhard

Es ist der Berg der Berge - der Mount Everest, mit 8848 Meter der höchste Punkt der Erde. Bewunderer haben ihn voller Respekt den "dritten Pol" getauft.

Mount Everest — der höchste Berg der Erde. Foto: dpa (Foto: N/A)

An diesem Wochenende bahnt sich ein Rekordversuch der besonderen Art an: Als erster Mensch will der 41 Jahre alte Italiener Angelo D'Arrigo mit einem Drachen den Gipfel überfliegen.

Auf perfektes Wetter warten

Das Basislager auf dem Syangboche Flugfeld in Nepal steht bereits, jetzt läuft der Countdown: "Wir müssen auf einen Tag mit blauem Himmel und schwachen Wind warten. Bedingungen, die am Everest nur selten vorkommen. Rein statistisch sollte es im Mai drei oder vier Tage mit perfektem Wetter geben", hofft D'Arrigo, dessen bisheriger offizieller Höhenrekord bei 7801 Meter liegt.

Monatelange Vorbereitungen liegen hinter dem Drachenflieger und seinem Team. Denn: D'Arrigo muss sich von einem motorisierten Drachen - einem so genannten Microlight —, der von Richard Meredith-Hardy gesteuert wird, auf Gipfelhöhe ziehen lassen.

Allein das ist schon ein riskantes Manöver, das die beiden auf dem Guidonia Militärflughafen nahe Rom geübt haben. Und immer wieder mit unvorhergesehenen Problemen konfrontiert wurden.

Eisklumpen in der Atemmaske

"Beladen mit Benzin- und Sauerstofftanks dauerte es lange, bis der Microlight abhob, dann stiegen wir schnell auf", erinnert sich Richard Meredith-Hardy an die Übungsflüge.

"In 4500 Meter Höhe fiel die Temperatur auf minus 20 Grad, eine dünne Eisschicht überzog alle Metallteile und unsere Brillen." In 6600 Meter, bei minus 30 Grad, fror die Batterie des Funkgerätes ein und machte jegliche Kommunikation unmöglich. Bei 7814 Meter war es dann vorbei.

"An den Ventilen meiner Atemmaske bildeten sich Eisklumpen, mir blieb nur der schnelle Rückflug", erzählt Angelo D'Arrigo. Eine lebensgefährliche Situation: Wenn in dieser Höhe die Luftversorgung ausfällt, bleiben nur wenige Minuten bis zur Ohnmacht.

Am Mount Everest erwarten die Piloten äußerst widrige Bedingungen. Die Temperatur am Gipfel kann auf minus 40 Grad und tiefer fallen. "Gegen die Kälte tragen wir elektrisch beheizbare Anzüge", erklärt Meredith-Hardy.

"Im Windkanal haben wir schon Temperaturen von minus 42 Grad ertragen. Die Kälte, die dünne Luft, das Wetter und alles andere haben wir hoffentlich unter Kontrolle. Viel eher könnte der Flug an einer Kleinigkeit scheitern."

Benzin aus Indien

Immerhin liegt das Basislager zehn Tagesmärsche von der nächsten Straße entfernt. "Sogar das Benzin könnte zu einem Problem werden", fürchtet Meredith-Hardy. Denn: "Benzin wird in Nepal oft mit Kerosin gemischt, das würde mein Motor nicht überleben. Vielleicht müssen wir noch Benzin aus Indien importieren."

Der Start ist eine der Schlüsselstellen. Die Startbahn liegt auf 3800 Meter Höhe; die Luft ist so dünn, dass die Startgeschwindigkeit sehr hoch sein muss. D'Arrigo: "Leider ist die Bahn nur 400 Meter lang, direkt dahinter liegt eine tiefe Schlucht. Motorprobleme wären fatal."

9000 Meter Flughöhe

Gelingt der für die nächsten Tage geplante Start, wird Richard Meredith-Hardy mit seinem Microlight Angelo D'Arrigo Richtung Mount Everest ziehen. In Gipfelnähe will sich der Drachenflieger dann ausklinken, aufsteigende Luftströmungen nutzen und den Gipfel des Mount Everest überfliegen - maximale Flughöhe: fast 9000 Meter.

"Wir haben genau zweieinhalb Stunden Zeit, so lange reichen unsere Atemluftvorräte. Eigentlich müsste die Zeit reichen, obwohl die Luft in Gipfelnähe so dünn ist, dass wir nur noch sehr langsam steigen können."

Richard Meredith-Hardys Microlight ist zu schwer, um den Gipfel zu überfliegen. Alleine wird Angelo D'Arrigo aber dennoch nicht sein: Zwei Steppenadler werden den Drachenflieger begleiten; die Vögel kennen D'Arrigo seit ihrer Geburt und akzeptieren den Drachenflieger als Leittier.

Den Vögeln den Weg zeigen

Die Adler sollen in Tibet ausgesetzt werden, um dort das Aussterben der Steppenadler zu verhindern. Ihre jährliche Zugroute führt im Herbst von den Brutplätzen über den Himalaja nach Süden und im Frühjahr wieder nach Norden. "Normalerweise lernen die Vögel die Wanderrouten von ihren Eltern, diesen Part muss ich jetzt übernehmen", erklärt Angelo D'Arrigo seine Aufgabe.

Bereits 2002 machte der Italiener mit einem ähnlichen Projekt weltweit Schlagzeilen: Er leitete einen Schwarm Kraniche von Sibirien über 5500 Kilometer bis in den Iran.

© SZ vom 30.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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