Reiseversicherungen:Abbruch ist kein Rücktritt

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Eine USA-Reisende hatte sich von ihrem Reisebüro unzureichend beraten gefühlt und vor dem BGH geklagt. Die Richter fällten ein Grundsatzurteil.

Helmut Kerscher

Manchmal landen Verfahren bei den höchsten Gerichten, die mehr der Volksbildung als der Rechtsfortbildung dienen. So ist das jüngste Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Aufklärungspflicht eines Reisebüros zweifellos für die Entwicklung des Reiserechts von Bedeutung.

Von größerem Interesse für die Öffentlichkeit dürfte jedoch der dem Prozess zugrunde liegende Unterschied zwischen einer Reiserücktritts-Versicherung und einer Reise-Abbruchversicherung sein. Der Fall zeigt, dass die häufig abgeschlossenen Reiserücktritts-Versicherungen "nur bis zum Weggang von zu Hause" schützen, wie es ein Anwalt formulierte. Wenn danach eine Reise vorzeitig beendet werden muss, kann nur eine Reise-Abbruchversicherung den Schaden verkleinern.

Darauf hinzuweisen sei ein Reisebüro auch dann nicht verpflichtet, wenn es wie ein Veranstalter auftrete, entschied jetzt der BGH. Es müsse im Rahmen des "Reisevermittlungsvertrags" lediglich über den möglichen Abschluss einer Reiserücktrittskosten- und einer Rücktransportkostenversicherung informieren. Mehr habe der Gesetzgeber nicht verlangt, argumentierte der BGH. Weitergehende Aufklärungspflichten habe ein Reisebüro gegenüber einem Kunden selbst dann nicht, wenn es sich um eine verhältnismäßig lange und teure Reise handle.

Klage wegen unvollständiger Beratung

Im konkreten Fall ging es um eine USA-Reise zweier Frauen. Nach deren Scheitern klagte eine von ihnen gegen ihr Reisebüro auf Schadensersatz in Höhe von rund 4000 Euro, weil sie unvollständig beraten worden sei. Die sorgfältig geplante Reise endete in München, ehe sie richtig begonnen hatte. Schon während des Zubringerflugs hatte die unter einer Erkältung leidende Mitreisende so erhebliche Beschwerden bekommen, dass ihr der Flughafenarzt in München die Weiterreise verbot. Damit war die Reise für beide Damen - "nicht mehr die Jüngsten", hieß es im Gerichtssaal - geplatzt, zumal die Erkrankte als Fahrerin eines gemieteten Wagens vorgesehen war.

Was folgte, kann in Abwandlung eines Matthias-Claudius-Zitats unter das Motto gestellt werden: "Wenn jemand keine Reise tut, so kann er was erzählen." Die verhinderte Reisende wollte wenigstens keinen finanziellen Schaden haben und wähnte sich wegen ihrer Rücktrittsversicherung auf der sicheren Seite.

Doch als sie die verbliebenen Reisekosten geltend machte, lehnte die Versicherung ab. Dieser Schaden sei nicht versichert, weil die Kundin nicht von der Reise zurückgetreten sei, sondern diese abgebrochen habe. Nun klagte die Frau gegen das Reisebüro wegen unzureichender Aufklärung über die beiden Versicherungstypen, wurde aber vom Amtsgericht und vom Landgericht Wuppertal abgewiesen. Weil Letzteres die Revision zuließ, kam der Fall zum BGH und damit an die Öffentlichkeit.

(X ZR 182/05)

© SZ vom 26.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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