Reisetipps:Neues Jahr, neue Ziele

Jetzt ist es langsam an der Zeit, den Urlaub für 2016 zu planen. Doch wohin soll, wohin kann man überhaupt noch reisen? Ein Wegweiser von den Malediven bis in die Weinberge der Rhône.

Von SZ-Autoren

Mehr Ziele im Internet unter sz.de/reisetipps2016.

Zu Besuch beim klugen König

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(Foto: Reuters)

Wo kann man denn eigentlich noch hin, wenn man sich für islamische Kultur, für deren überwältigende Gastfreundschaft, für islamische Architektur und Kunst interessiert? Syrien liegt in Trümmern, Ägypten hat nur noch Bade-, aber keine Kulturtouristen mehr, zu groß sind die Ängste. Das hoffnungsvolle Tunesien wurde im vergangenen Jahr von Terroristen in Geiselhaft genommen, Libyen und Algerien sind No-go-Zonen. In ganz Nordafrika gibt es zurzeit nur ein Land, das man normal bereisen kann: Marokko. König Mohammed VI. fährt hier einen klugen Kurs zwischen politischen Reformen und sozialen Verbesserungen. Der Regierungschef gehört dem gemäßigten politischen Islam an, Frauen wurden gesetzlich gleichberechtigt. Natürlich gibt es auch hier ein allgemeines Anschlagsrisiko, aber es ist wohl nicht höher als in Berlin oder London. Das Auswärtige Amt attestiert dem Land eine "gute touristische und sicherheitspolitische Infrastruktur". Marokko bietet enorme landschaftliche Vielfalt. Von den Viertausendern des Hohen Atlas über die Sahara bis hin zu den Stränden von Agadir, an denen auch immer mehr Deutsche Badeurlaub machen. 20 Prozent mehr Übernachtungen deutscher Gäste gab es hier 2015 im Vergleich zu 2014. Nur am Strand zu liegen, wäre in diesem Land allerdings eine Schande. Nicht nur im bekannten und viel besuchten Marrakesch, sondern auch in Meknès oder der alten Königsstadt Fès kann man eintauchen in den Orient: ein Gespinst aus Gassen, die nach Zünften geordnet sind - hier die Tischler, da die Metzger, dort die Pantoffelschuster. Im Gerberviertel schuften Männer wie vor Hunderten Jahren mit Tierhäuten über Steinbecken, die wie eine riesige Farbpalette aussehen. "Als wäre sie ein monströses Tier", schrieb der spanische Schriftsteller Rafael Chirbes, "steckt Fès die Zeit in einen Käfig und mästet sie, statt sich von ihr verschlingen zu lassen." Foto: Damir Sagolj/Reuters

Wertvolle Flüchtlinge

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(Foto: Paul Arne Wagner)

Das Okawango-Delta in Botswana hat natürlich auch seinen Reiz, wenn man nur Elefanten sehen möchte, Giraffen, Büffel und Nilpferde. Das weite Land, grün und fruchtbar und zu bestimmten Zeiten von Wasseradern durchzogen, ist ein Klassiker für Afrika-Liebhaber. Die Geschichte mit den Nashörnern aber ist noch mal etwas Besonderes. In den vergangenen Jahren ist Botswana zum Zufluchtsland für gefährdete Tiere aus Südafrika geworden. Dort, vor allem im Krüger Nationalpark, schlachten Wilderer die Nashörner zu Tausenden ab. Obwohl Südafrika sogar das Militär in den Kampf gegen die Wilderer schickt, wird man dem Problem nicht Herr. 1215 tote Tiere hat der World Wide Fund for Nature (WWF) allein im Jahr 2014 gezählt. Die Abnehmer des pulverisierten Horns: Vietnamesen und Chinesen. Für 100 Gramm, so der WWF, werden in Vietnam Preise von bis zu 2000 Euro bezahlt. In Botswana gibt es bislang weniger Wilderei. Der Schutz scheint effektiver zu sein, die Regierung in Botswana hat schon vor Jahren erkannt, dass es sich lohnt, viel Geld in den Kampf gegen Wilderer zu investieren. Man kann die Einnahmen aus dem Tourismus ja gegenrechnen. Aber auch große private Safari-Anbieter engagieren sich. Wilderness Safaris beispielsweise finanziert ein Umsiedlungs-Projekt. Auch die Initiative "Rhinos without Borders", gegründet von dem Dokumentarfilmer-Ehepaar Dereck und Beverly Joubert, will in den nächsten Jahren 100 Nashörner aus Südafrika einfliegen lassen. Pro Transport rechnet man mit 35 000 Euro, eine Menge Geld. Dereck Joubert ist der Great Plains Conservation verbunden, einem Unternehmen, das umweltfreundlichen Tourismus propagiert. Das Geld für die ersten umgesiedelten Nashörner ist über Crowdfunding zusammengekommen. Nachwuchs gibt es auch bereits. Im Dezember wurde von Wilderness Safaris ein Spitzmaulnashorn-Kalb gesichtet. Foto: Paul Arne Wagner

Urlaub in der Wirklichkeit

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(Foto: imago/Westend61)

Einsame Palmeninseln, mehlweiße Strände - die Malediven sind der Inbegriff eines Traumziels. Aber der islamische Inselstaat im Indischen Ozean steht auch für Ferien in der Scheinblase, weit weg von der Realität der Einheimischen, die von einem autoritären, klerikalen Regime bestimmt wird. Ihr Verständnis von Offenheit demonstrierten die Machthaber zuletzt im Dezember, als sie einen ARD-Reporter auswiesen. Er hatte über die Folgen des Klimawandels und religiösen Extremismus recherchiert. Die aktuelle Entwicklung sollte man also beobachten, wenn man sich 2016 für eine neue Urlaubsmöglichkeit auf den Malediven entscheidet: Kontakt zu Maledivern. Bislang traten Einheimische meist nur als Kofferträger oder Zimmermädchen in Erscheinung, als Angestellte der Hotelresorts. Von 1200 Inseln sind etwa 220 von Einheimischen bewohnt und 90 von Hotels besetzt. In diesen luxuriösen Enklaven zahlen die Gäste viel Geld, um sich unbehelligt zu sonnen und die Unterwasserwelt zu erkunden. Die Bevölkerung indes ist arm, immer mehr Frauen zeigen sich verschleiert, Alkohol ist den Maledivern verboten. Urlauber, die einen Einblick in diesen Alltag haben wollten, mussten früher Tagesausflüge unternehmen. Seit Kurzem können sie direkt neben den Einheimischen wohnen, in Gästehäusern und kleinen Hotels, die von Maledivern betrieben werden - etwa auf Huraa, Thulusdhoo, Fulidhoo und Maafushi. Einheimischen-Inseln stehen von diesem Winter an sogar im Neckermann-Katalog. Individualreisende fliegen auf die Hauptinsel Malé und setzen statt mit den Speed-Booten der Hotels mit der staatlichen Fähre für einen Euro über. Auf den erschwinglichen Inseln übertönt der Muezzin die Brandung, und es könnte schwierig werden, eine Strandbar zu finden. Auf Maafushi steht außerdem das Gefängnis des ehemaligen Staatspräsidenten der Malediven, Mohamed Nasheed. Er hatte die Öffnung der Inseln veranlasst - und wurde von religiösen Widersachern entmachtet. Foto: Imago

Experiment Großstadt

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(Foto: imago/Westend61)

Zugegeben, es hat seinen Grund, warum zu Weihnachten nie opulente Belgrad-Bildbände unterm Baum liegen. Die Geschichte hat hier so oft gewütet, dass in der "Weißen Stadt" kaum etwas zusammenpasst. Wer schöne Städte sehen will, fährt rasch weiter nach Dubrovnik & Co. Andererseits: Wenn schon alles egal zu sein scheint, passiert auch viel. Belgrads Stadtbild wird umgekrempelt, teils gnadenlos - wer 2016 eine Großstadt als Experimentierfeld erkunden möchte, ist hier richtig. So manch interessanter neuer Ort ist eher versteckt. In der recht rauen Gegend Donji Dorćol finden sich neuerdings alternative Lokale wie die Kaffeebar Pržionica. Die Vision der Macht- und Geldelite dagegen springt direkt ins Auge. Auf Plakaten wird für das neue Megaviertel Belgrade Waterfront geworben; die Bilder sehen mehr nach Dubai als nach Balkan aus. Gefragt, ob sie es so haben wollen, wurden die Belgrader nicht. Dabei hat manch einer eine Tirade gegen das "Ufo" auf Lager, das da in ihrer Mitte landen soll. Bürgerproteste reißen nicht ab - der Streit um die Flächen im Zentrum ist schließlich einer um die künftige Identität der Stadt. Wer das alte, das jugoslawische Belgrad sehen möchte, kann türkischen Mokka im Plüsch des Hotels Moskva trinken oder sich auf dem Bauernmarkt Pijaca Kalenić umsehen. Klassisches Sightseeing? Die Festung Kalemegdan und der Dom des heiligen Sava. Ein Sonnentag lässt sich perfekt mit einem späten Frühstück auf der Terrasse des Hotels Smokvica starten, dann mit dem Leihrad von der Sportanlage Milan Gale Muškatirović die künftige Waterfront die Save entlang bis zum See Ada Ciganlija und zurück. Abends in einem Restaurant der umgewandelten Lagerhallen Beton Hala einkehren und Energie sammeln. Denn nicht weit entfernt liegen international bekannte Klub-Boote wie das 20/44 vor Anker, seit Jahren Inbegriff des hiesigen Nachtlebens. Manches ändert sich eben auch in Belgrad nicht so schnell. Foto: Imago

Hipster und Intrigen

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(Foto: Bloomberg)

Die Enttäuschung äußert sich in vielen Sprachen. "Oh, das Weiße Haus ist viel kleiner als im Fernsehen", rufen sie vor Barack Obamas Amtssitz. Also schnell ein Selfie gemacht und weiter zur National Mall. Die Prachtstraße führt von der weißen Kuppel des Kapitols zum prächtigen Lincoln-Memorial: Auf den Stufen sprach Martin Luther King die Worte "I have a dream", und in der Marmor-Halle thront Kevin Spacey auf dem Plakat zur Fernsehserie "House of Cards". Wenn die Amerikaner 2016 einen neuen Präsidenten wählen, steht die US-Hauptstadt noch stärker im Mittelpunkt als sonst - eine idealer Zeitpunkt, um die Metropole der Macht zu besuchen. Denn in Washington gibt es mehr als Politik, Intrigen und Anzugträger. Washington ist grün, jung und überschaubar: Der District of Columbia gleicht auf der Karte einer Raute, für Besucher interessant ist der Nordwest-Teil. Mit den roten Capital-Bikeshare-Leihrädern ist man in 15 Minuten von der National Mall mit den elf kostenlosen Smithsonian-Museen herübergefahren. Am Black Broadway wuchs Duke Ellington auf, und dort befindet sich mit Ben's Chili Bowl der bekannteste Imbiss der Stadt. Die Zeiten der Chocolate City sind jedoch vorbei: Seit 2012 ist die Mehrheit der 650 000 Einwohner nicht mehr schwarz. Seit immer mehr Hipster in die Stadt ziehen, explodiert die Gastro-Szene. Viele Food-Trucks stehen am McPherson Square, sehr gute Lokale gibt es in der 14. Street, im neuen In-Viertel Shaw und am Dupont Circle. Nicht vergessen: Ein Besuch in der Library of Congress und eine Führung durch das Kapitol (Reservierung: visitthecapitol.gov/). Zwischen dem 4. Juli und Labor Day Anfang September trifft man jedoch keine Abgeordneten, weil es dann unerträglich schwül ist. Allein sind die Touristen jedoch nie: Jogger drehen in DC zu jeder Uhrzeit ihre Runden. Wer "House of Cards" gesehen hat, weiß das. Foto: Kirkpatrick/Bloomberg

Alles aufgeräumt

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(Foto: AFP)

Wer gern Land und Leute kennenlernt, kann in Oman beides finden. Das Land: weite, unberührte Bergwelten, beispielsweise am Jebel Akhdar, wo der Hotelbau gerade erst langsam beginnt. Wüste gibt es, Wadis und viele Kamele, die einst den Weihrauch vom Süden aus in den Norden der Arabischen Halbinsel brachten. Mit den Leuten ist es etwas komplizierter. Echten Omanis begegnen Reisende selten, man sieht sie in großen Autos auf vierspurigen Straßen vorbeifahren. Das Sultanat lebt von Gastarbeitern, die Kindermädchen kommen von den Philippinen, die Plantagenarbeiter aus Indien, die Ingenieure aus dem Irak, die Reiseleiter aus Ägypten, das Hotelpersonal aus Afrika. Ein Mix, der vielfältige Begegnungen ermöglicht - und das mit gutem Gewissen. Denn die Gastarbeiter haben Rechte im Sultanat. Im Sommer dürfen sie zu ihrem Schutz vor der Mittagshitze nicht draußen arbeiten, sie haben Urlaub, von menschenverachtender Ausbeutung wie in Katar ist in Oman nichts bekannt. Aufdringliches Anquatschen, Feilbieten von Waren - undenkbar in diesem Land, in dem überhaupt alles extrem sauber und geordnet zu sein scheint. Oman hat sich noch nicht lange für den Tourismus geöffnet, was es als Reiseziel umso spannender macht. Es wird sich in den nächsten Jahren vermutlich stark verändern - also: besser früher hin als zu spät. Das Sultanat gilt als sicher, soweit man das heute von irgendeinem Land in der Region sagen kann, es hat schöne Strände. Nur: Günstig ist es nicht. Das Preisniveau ist das der Golfstaaten. Westliche Urlauber, die außerhalb der Hotelanlagen zwar nicht in Shorts rumlaufen sollten, aber auch nicht zu größeren Verhüllungen angehalten werden, sind dezidiert erwünscht. "His Majesty", wie die Omanis ihren verehrten Sultan Qabus nennen, hat seinem Volk im Hinblick auf die Nach-Öl-Ära den Tourismus schließlich verordnet. Foto: Eric Feferberg/AFP

Freude in Flaschen

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(Foto: AFP)

Ein einziger Tag kann alles kaputt machen. Ein Unwetter genügt, um einen Schaden in den Weinbergen zu hinterlassen, den man schmeckt. Insofern bleiben Winzer stets skeptisch. Um einen guten, einen hervorragenden Wein zu keltern, müssen viele Dinge zusammenkommen. Aber die Vorfreude auf diesen Jahrgang 2015, sie war im vergangenen Sommer trotzdem schon groß an der Rhône, lange bevor die Trauben auch nur annähernd reif waren. Sie würden viel Wärme abbekommen, würden üppig Süße und Geschmack ausbilden. Das verhieß jeder neue der vielen wolkenlosen, hitzigen Tage im Süden Frankreichs rund um Avignon und Orange. Die Weine der Côtes du Rhône werden ohnehin besser seit einigen Jahren, die Qualitätskrise der Jahrtausendwende ist bewältigt. Und nun also dieser sowohl für die Touristen wie für die Winzer sensationelle Sommer - der auch bei weinliebenden Reisenden Vorfreude ausgelöst hat. Auf die Sonne ist stets Verlass in der Provence und im Languedoc, auch ohne Rekordtemperaturen, dazu die Landschaft, die Gastronomie, die zahlreichen Festivals . . . mit einer Reise an die Rhône macht man sich immer eine Freude. Im kommenden Sommer aber werden dann auch die ersten Weine des 2015er-Jahrgangs abgefüllt sein, man bekommt sie in den Restaurants serviert, in den Weinhandlungen, bei Degustationen. Kann damit seinen Urlaub verschönern und sich den Kofferraum vollladen, um auch bestimmt gut über den nächsten Winter zu kommen, sodass diese Ferien von 2016 noch lange nachschmecken. Und dass Marion Maréchal-Le Pen vom Front National die Regionalwahlen nun doch nicht gewinnen konnte, darauf sollte man schon jetzt eine Flasche öffnen. Foto: J.-P. Ksiazek/AFP

© SZ vom 07.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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