Reisen im Privatjet:Salon der Lüfte

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Öko hin, Gewissen her: Das Geschäft mit den Privatflugzeugen boomt. Der Wille zum Abkapseln ist nicht mehr nur Bedürfnis egozentrischer Milliardäre.

Eva Munz

Es liegt schon ein paar Jahre zurück, als ich bei einem Freund am Genfer See saß. Das Kaminfeuer knisterte vergnügt und verbreitete dieses angenehme Aroma, wie es eben nur Buchenholz vermag. Mein Freund reiste damals ausschließlich mit der Concorde oder mit kleinen Privatjets. Dafür, sagte er, gäbe es einen ebenso einfachen wie einleuchtenden Grund: Er sitze nicht gerne mit Fremden im Dunkeln.

Eine private Lounge im neuen Airbus A380 (Foto: Foto: Lufthansa)

Während er so sprach, faltete er das Hotelbriefpapier des "Hilton Paris" zu einem Flugzeug und ließ es in Richtung Kamin gleiten. Ich beschimpfte ihn als egozentrischen Snob, während die Hilton Paris in Flammen aufging.

Wenig später, im Sommer 2000, stürzte ein Überschallflugzeug nahe dem Flughafen Charles de Gaulle ab. Am 11. September 2001 verdunkelten Staubwolken den Himmel über New York. Mein Freund musste umdenken. Auch das ging schnell.

"'JetNets' bedeutet Reisen für Menschen, die nicht bereit sind, ihr Leben in die Hände anderer Leute zu legen." Mit diesen Worten wirbt der CEO Marc Booth für seine Firma, die Privat- und Geschäftsreisen so passgenau zuschneidert wie die Couturiers der Savile Row Herrenanzüge. Exklusivität und Flexibilität ist das Mantra der Anbieter, das kostbarste Gut ihrer Kunden: Zeit.

Jet mit individueller, ästhetischer Handschrift

Die elegante Chefsekretärin eines großen deutschen Konzerns sieht einen weiteren Vorteil: "Die Diskretion, die für Kauf- und Verkaufsverhandlungen nötig war, konnte ich nur dadurch aufrechterhalten, dass keine Flugbewegungen zu verschiedenen Verkäufern oder Käufern registriert werden konnten." So ähnlich argumentiert auch die CIA, die mit kommerziell gecharterten Jets Terrorverdächtige in Folterzellen des syrischen Geheimdienstes verschwinden lässt.

Vor allem die Nachfrage nach den kleinen, ganz leichten Jets für Kontinentalflüge wird immer größer. Der Lufthansa Private Jet Service addiert in diesem Jahr allein neun neue Flugzeuge zu ihrer Flotte für Aufsichtsrats-Mitglieder, die vormittags einer Sitzung in Helsinki beiwohnen, nachmittags einen Vertrag in Rom unterschreiben und abends in Basel feiern.

Wenn die gesamte Führung eines Konzerns an einen bestimmten Ort fliegen muss, werden die Passagiere aus Sicherheitsgründen schon einmal auf mehrere Fluglinien und Jets verteilt. Besonders wohlhabende Popstars, Fußballer oder Ölmagnaten besitzen eigene Jets mit individueller, ästhetischer Handschrift.

Das sieht nicht immer schön aus, sorgt aber dafür, dass spezialisierte Innenausstatter sich vor Aufträgen nicht mehr retten können. Edelhölzer werden zu aufwendigen Minibar-Intarsien verarbeitet, Kronleuchter so raffiniert gehängt, dass sie selbst die holprige Landung in Warschau schweigend ertragen, und das kleine Schwimmwesten-Schildchen wird in Seide auf feuerfestes Leinen gestickt.

"Die meisten gecharterten Jets", so Matthias Niedenzu, Broker der privaten Chartergesellschaft More-Than-A-Flight, "orientieren sich im Design an Nobelkarossen: Edelhölzer und Leder, alles sehr klassisch, hochwertig und vornehm." Der neuseeländische Designer Marc Newson mag es lieber kühler, funktionaler. Schon lange arbeitet er für die australische Fluglinie Quantas.

2004 erfüllte er sich für die französische Kunststiftung Fondation Cartier einen Kindheitstraum und entwickelte rechtzeitig zu seinem 40. Geburtstag den charmanten Prototypen eines Jets: Kelvin40. Das ultramoderne, gleichzeitig mit der Naivität der Jetsons spielende Design begeisterte die Kunstwelt, trotz allem ging der Jet nie in Serie.

Ein Bodyguard als lebendige Stufe

Auch die Unternehmerin Miuccia Prada bewegt sich und ihre Partner lieber im streng anmutenden, in Grau gehaltenen Jet. Kürzlich lästerte die konservative italienische Zeitung Libero, die Designerin und ihre linksliberale Entourage hätten den Kontakt zum Volk verloren. Der Titel zeigte ein Bild ihres Privatjets am Flughafen St. Moritz, ein Bodyguard hatte sich vor dem Einstieg auf den Boden gelegt, als lebendige Stufe, um einem von Pradas Freunden das Einsteigen zu erleichtern. Schlagzeile: "So human ist die Linke."

Natürlich ist das Reisen im Jet die Angelegenheit einer kleinen Elite. Der Wille zum Abkapseln, zum Leben in der eigenen Bubble ist allerdings nicht nur Bedürfnis egozentrischer Milliardäre. Neulich, beim zweistündigen Zwischenstopp auf Mallorca, fand ich mich der deutschen Billigflug-Diaspora ausgesetzt, Leuten, die ihr Gehalt im hässlichsten McDonald's der Welt, in schäbigen Dutyfree-Läden und einem Raucher-Terrarium verbrannten. Ich setzte mich auf eine eiskalte Metallbank, stülpte mir meine Wolldecke aus Addis Abeba über und träumte mich mit den Klängen von Sezen Aksus "Istanbul" eben genau dorthin. Bis mir jemand seinen Mettwurst-Atem direkt ins Gesicht gähnte.

Ich fischte eine Postkarte von Tanger aus meiner Tasche und adressierte sie an meinen Freund am Genfer See: "We need to talk in private."

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