Reisebuch:Nasses Neuland

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Vom Tagebau zum Badesee: Freya Najade zeigt in ihrem Bildband den Umbau der Lausitz zur identitätsstiftenden Ferienregion.

Von Stefan Fischer

Wie eine deutsche Landschaft sieht die Lausitz nicht aus. Jedenfalls nicht auf etlichen von Freya Najades Fotografien. Eher assoziiert man amerikanische Szenerien: Death Valley kommt einem in den Sinn, Lake Powell und Alaska, dort, wo Ölsande abgebaut werden. Wobei das der Wahrheit sehr nahe rückt: Denn Welzow-Süd ist ebenfalls Tagebau-Gebiet, nur wird hier Braunkohle abgebaut. Nach wie vor.

Viele andere Lausitzer Tagebaue sind geschlossen. Und die Löcher, die sie in der Landschaft hinterlassen haben, sind länger schon oder werden derzeit geflutet. In der Lausitz wird die größte künstliche Seenplatte Europas entstehen. Diesen Prozess der Transformation dokumentiert Freya Najade mit ihren Fotografien. Die Lausitz ist mindestens dreimal neu erfunden worden als Kulturlandschaft. Den Wäldern und Sümpfen haben die Menschen Wiesen und Dörfer abgetrotzt. Dann wurde aus der Agrar- eine Industrielandschaft. Seit den 1970er-Jahren und verstärkt nach der Wiedervereinigung findet der Umbau in eine Freizeitlandschaft statt. Unter die Räder gekommen ist bei diesen Umwälzungen die Kultur der Sorben. Diese westslawische Minderheit wird in der Lausitz immer kleiner. Najade nennt ihren Bildband beinahe trotzig "Jazorina", das ist das sorbische Wort für Seenland.

Was vor der industriellen Umwälzung war, ist weitgehend verschwunden. Deren Monumente aber werden erhalten, etwa die Förderbrücke in Klettwitz-Nord. Najade inszeniert sie als das, was sie sind: ein identitätsstiftender Teil der neuen Freizeitregion. Die offenbart noch viel Unfertiges. Die meisten der zum Baden freigegebenen Seen werden bislang wenig besucht. Noch gibt es nur für wenige Menschen ein Auskommen im Tourismus, die Abwanderung hält an. Aber die Bewohner, die Najade porträtiert, glauben an das Seenland.

Freya Najade : Jazorina. Land of Lakes. Kehrer Verlag, Heidelberg 2016. 104 Seiten, 35 Euro.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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