Reisebuch:Mensch, Buddhist

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Olivier Föllmi porträtiert die Bewohner des Himalaja. Weil er dies seit vier Jahrzehnten tut, zeigt er ein tiefgründiges Bild des Lebens dort.

Von Stefan Fischer

Drei Dutzend Bücher hat der französische Fotograf Olivier Föllmi veröffentlicht. "My Hima- laya" repräsentiert nun so etwas wie das Lebenswerk des 60-Jährigen. Nicht, weil es eine Art "Best of" wäre, eine Gesamtschau seines fotografischen Schaffens. Föllmi hat sämtliche Erdteile bereist, seine Aufnahmen machen ihn zu einem der bedeutendsten Reisefotografen der Gegenwart. Das aktuelle Buch beschränkt sich jedoch auf das höchste Gebirge der Welt, und dort auch nur auf einen kleinen Ausschnitt.

"My Himalaya" zeigt den Winkel der Erde und die Fotografien, die das Schaffen Olivier Föllmis ausmachen. Nicht nur sein fotografisches. Seit mehr als 40 Jahren verbringt Föllmi viel Zeit an den Nordflanken des Himalaja, im buddhistischen Teil also. Ganze Winter hat er im Zanskar-Tal gelebt, das zu Indien gehört, jedoch tibetisch geprägt ist. Föllmi und seine Frau haben dort Kinder von Freunden adoptiert - nicht im westlichen, rechtlichen Sinn, sondern, indem sie sich um die Ausbildung der Heranwachsenden gekümmert haben, sind ihnen diese Kinder von deren Eltern anvertraut worden. Föllmi spricht von ihnen als von eigenen Kindern.

Gesichter, die mal fröhlich sind, mal ernst: Oliver Föllmi ist zu einem Teil der buddhistischen Gemeinschaft im Himalaja geworden, so weit das einem Fremden möglich ist. (Foto: Olivier Föllmi)

Es sind kurze Texte, die den einzelnen Kapiteln auf Französisch, Englisch und Deutsch voranstellt sind. Dennoch gehen sie tief, sind äußerst privat und nicht esoterisch, sondern sehr konkret. Sie öffnen dem Fremden einen kleinen Blick in eine vollkommen fremde, andernorts häufig romantisierte Welt.

Umfassender wird der Blick durch die Fotografien, entstanden im Verlauf von Jahrzehnten. Olivier Föllmi vertraut darauf, dass sie über die Einleitungen hinaus kaum weiterer Erklärungen bedürfen. Da ist er manchmal recht optimistisch. Und tut doch gut daran: Mit kurzen, einfachen Ausführungen wäre nichts erklärt. Föllmi will, dass man die oft ernsten, manchmal fröhlichen Gesichter, die einschüchternde Gewalt der Bergmassive, die Unerbittlichkeit der Natur auf sich wirken lässt. Sich eben nicht mit einer kurzen Bildunterschrift abspeisen lässt, sondern selbst nach Fährten sucht in eine Welt, die nach vollkommen anderen Regeln funktioniert als die westeuropäische.

Es sind Bilder, die nicht nur Oberflächen zeigen, sei es von Landschaften, Siedlungen oder Gemeinschaften, sondern die das Leben der Buddhisten im Himalaja abbilden. Welche zum Beispiel das Leben eines Kindes riskieren, um an den Exilort des Dalai Lama zu gelangen. Die teilweise den Wert des Geldes nicht kennen, keine Vorstellung von Europa haben und nicht einmal von der Hauptstadt des Landes, in dem sie leben.

Olivier Föllmi schaut zu ihnen auf, er ist Teil ihrer Gemeinschaft geworden, so weit einem Fremden das möglich ist. Eine Lebensleistung, die er in diesem Bildband dokumentiert. Insofern spielen die Berge, zumal deren Gipfel, eine untergeordnete Rolle. Es ist ein Buch über die Menschen, die dieses gigantische Gebirge bewohnen, nach alter Sitte, die Föllmi als Zustand der Unschuld beschreibt - dem er mit Demut begegnet. Das lehren auch die Fotografien.

Die Natur im Himalaja-Gebirge kann unerbittlich sein, aber auch Schluchten lassen sich überwinden. (Foto: Olivier Föllmi)

Olivier Föllmi : My Himalaya. 40 Years among Buddhists. Aus dem Französischen von Reinhard Ferstl. Verlag teNeues, Kempen 2018. 304 Seiten, 80 Euro.

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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