Reisebuch:Bella Figura

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Der Modefotograf Mario Testino porträtiert die Lebenslust und die Schönheit Italiens - hart am Klischee. Er ist dabei immer mitten drin im Geschehen.

Von Stefan Fischer

Als junger Erwachsener ist Mario Testino das erste Mal nach Italien gereist, Anfang der Siebzigerjahre war das. Zu dieser Zeit begann er auch erst, Italienisch zu lernen. Sein Großvater hatte Jahrzehnte zuvor die italienische Heimat verlassen, um fortan in Peru sein Glück zu machen. Dort ist auch sein Enkel Mario aufgewachsen, inmitten der peruanischen Kultur, und mit Spanisch als Muttersprache.

Die erste Station in Europa war London, wo Mario Testino zu studieren begann. Nach eineinhalb Jahren in der britischen Hauptstadt habe er immer noch seine peruanischen Klamotten getragen, schreibt der Fotograf im Vorwort seines großformatigen Italienbandes mit dem schlichten, einladenden Titel "Ciao". Es sei damals überfällig gewesen, sich ein neues Image zu verpassen, seinen Stil zu verändern. Passieren sollte das aber nicht im durchaus ebenfalls stilbewussten London, sondern in der Stadt, die er inzwischen zu seinem Lieblingsort erkoren hatte: in Rom.

Bald lebte Testino ganz in Italien. Eine Rückkehr zu den familiären Wurzeln war das. Andererseits: Waren die Testinos je fort? Die Frage kommt einem in den Sinn, wenn man die Aufnahmen des Fotografen betrachtet. Sie zeigen ein Italien hart am Klischee. Ist das die Perspektive des Fremden, des Außenstehenden? Dass er zum Kern des Typischen vordringen möchte und damit beinahe zwangsläufig bei einem Wunschbild, bei einer Übertreibung landet? Schwer zu sagen, jedenfalls wirkt Testinos Italienbild nicht gebrochen durch etwas, das außerhalb einer italienischen Prägung steht und auf seine peruanische Kindheit verweist.

Offensichtlich ist: Der Fotograf steckt immer mittendrin. Ist kein distanzierter Betrachter, sondern oftmals selbst Teil der Szenerie. Ohne selbst im Bild zu sein. Doch wenn die Menschen auf seinen Fotografien feiern, dann kann man sich sicher sein, dass er mitfeiert. Wenn sie sich am Strand vergnügen, steht er nicht zurück. Das jedenfalls drücken seine Aufnahmen aus. Mario Testino saugt die italienische Lebensart auf - eine Ausgelassenheit vor der Zeit der finanziellen, politischen und gesundheitlichen Krisen der Gegenwart. Und auch: währenddessen, den Widrigkeiten zum Trotz.

Was sehr viel mit den Milieus zu tun hat, in denen Testino sich bewegt. Er ist ein renommierter Modefotograf, auch auf den Bildern in diesem Band, der von der Vitalität und oft auch von einer Unbekümmertheit in Italien erzählen will, sind etliche Models sowie Schauspielerinnen und Schauspieler und anderweitig Prominente und Erfolgreiche zu sehen.

Mario Testino feiert die Schönheit - von Menschen, von Architektur, seltener von Landschaften. Er entdeckt sie auch in den Gesichtern alter Leute, in der Ekstase der Massen, in Momenten der Ehrwürdigkeit. Also auch außerhalb der Welt der Schönen und Reichen. Am wichtigsten ist ihm die Dynamik, die in seinen Aufnahmen steckt. Er hat viel in Siena fotografiert, beim Palio, das Nachtleben in Neapel und Rom, dazu Aufläufe und Prozessionen, Strandszenen. Die Menschen sind in Bewegung, sind eine Gruppe. Und selbst in seinen Porträts und seinen Stillleben hat man stets den Eindruck: Gleich passiert etwas.

Mario Testino : Ciao. Taschen Verlag, Köln 2020. 254 Seiten, 60 Euro.

© SZ vom 02.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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