Prächtige Seekarten:Ins Blaue

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Jacques Devaulx' "Nautische Werke" von 1583 geben in einem neu editierten Band Einblicke in eine Epoche der Seefahrt, in der diese noch kein touristisches Vergnügen war.

Von Stefan Fischer

Jacques Devaulx war ein Stratege. Nicht nur zur See, auch an Land. Dort also, wo Politik gemacht wird. Seine Handschrift "Les premières œuvres de Jacques Devaulx, pillote en marine", veröffentlicht 1583, hat er Anne de Joyeuse gewidmet, Großadmiral der französischen Marine und zugleich Statthalter des Königs in der Normandie. Im Jahr darauf wurde er auch Statthalter von Devaulx' Heimatstadt Le Havre - und der Autor des prunkvollen nautischen Kompendiums stieg auf zum königlichen Seelotsen.

Ein Ziel Devaulx' wahr sicherlich, den Statthalter mit "Les premières œuvres" zu beeindrucken durch die opulente Ästhetik ebenso wie das versammelte Wissen. Jean-Yves Sarazin, bis zu seinem Tod Direktor der Abteilung Karten und Pläne der französischen Nationalbibliothek und Initiator des kommentierten Nachdrucks von Devaulx' Werk unter dem Titel "Nautische Werke", sah darin sogar den Hauptzweck: Als Unterrichtsmittel hätten "Les premières œuvres" mehr Stringenz aufweisen müssen, als Zusammenfassung des bestehenden Wissens mehr Genauigkeit.

Doch darum ging es in der Handschrift schon auch: ein gelehrtes Werk vorzulegen, das Seeleuten verständlich ist, selbst wenn sie nicht oder kaum lesen und rechnen können. "Les premières œuvres" enthält Karten sowie Anweisungen für den Gebrauch nautischer Geräte, es ist Länderkunde, astronomisches Handbuch und befasst sich mit mathematischer Geografie. Devaulx hat vor allem auf die Überzeugungskraft der Bilder vertraut, die er großteils aus anderen Werken übernommen hatte. Für einen Laien sind sie kaum verständlich, was sie auch für heutige Leser nur schwer interpretierbar macht. Umso wichtiger ist die ausführliche erläuternde Aufbereitung durch Jean-Yves Sarazin, Elisabeth Hébert und deren Team.

Der kluge und aufwendig ausgestaltete Band "Nautische Werke" gibt Einblicke in eine spannende Epoche der Seefahrt. Das späte 16. Jahrhundert war für die Nautik eine Phase großer Umbrüche. Umstürzend neues Wissen existierte neben den tradierten Kenntnissen. So war das geozentrische Weltbild bereits widerlegt, als Grundlage kosmischer Darstellungen und daraus resultierender astronomischer Berechnungen aber nach wie vor stark verbreitet. Das Problem, wie man den Winkel zwischen geografischem und magnetischem Nordpol misst und darstellt, war noch ungelöst, das Konzept der geografischen Länge noch weitgehend unvertraut. Devaulx hat dazu mehrere Tabellen veröffentlicht sowie Beispiele, wie Grade in Seemeilen umzurechnen sind.

Kein halbes Jahr vor Erscheinen von "Les premières œuvres" ist überdies der Gregorianische Kalender in den katholischen Ländern eingeführt worden. Die Berechnung der Mondphasen und daraus abgeleitet der Gezeiten hat Devaulx bereits nach ihm vorgenommen. Als Leser heute navigiert man mit "Nautische Werke" neugierig durch Weltbilder und die Wissenschaftsgeschichte, basierend auf dem Denken eines Pragmatikers.

Jacques Devaulx : Nautical Works - Œuvres Nautiques - Nautische Werke. Editiert von Jean-Yves Sarazin in Zusammenarbeit mit Elisabeth Hébert. Taschen Verlag, Köln 2018. 264 Seiten, 100 Euro.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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