Nicht abgeholtes Gepäck:Lass dich überraschen!

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Bei Versteigerungen nicht abgeholter Gepäckstücke werden die Koffer auf Wunsch der Kundschaft nicht geöffnet. Warum das so ist - ein Interview.

Katrin Fischer

Die Lufthansa transportiert im Jahr rund 80 Millionen Gepäckstücke. Dabei bleibt immer wieder etwas liegen, speziell Handgepäck in der Kabine, aber auch große Gepäckstücke. Ist der Besitzer nicht ermittelbar, werden die Fundstücke zweimal pro Monat von Auktionator Heinz-Dieter Wendt versteigert. Der Inhalt bleibt bis zum Kauf geheim.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Was passiert mit dem Gepäck, bevor es von Ihnen versteigert wird?

Heinz-Dieter Wendt: Zunächst werden die Koffer am Flughafen eingelagert. Nach drei Tagen werden sie geöffnet, der Inhalt wird erfasst und mit den weltweiten Verlustlisten verglichen. Gibt es einen gewissen Grad der Übereinstimmung, wird das Gepäck dem Besitzer zugestellt.

Nach drei Monaten werden die restlichen Koffer in Gegenwart des Zolls erneut geöffnet. Dieser entscheidet, welche Dinge verzollt werden müssen. Ich habe davon eine Liste, damit ich weiß, welchen Preis ich dafür bei der Auktion erzielen muss. Wir schauen in der Regel nicht mehr in das Gepäck hinein, außer es kommt uns in irgendeiner Form verdächtig vor.

SZ: Wieviel herrenloses Gepäck versteigern Sie pro Auktion und wer sind die Käufer?

Wendt: Pro Auktion bringen wir etwa 500 Teile unter den Hammer. Das Publikum ist bunt gemischt, wir haben sogar Stammkunden. Für die Versteigerungen mieten wir geräumige Plätze wie Sporthallen an, um dem riesigen Andrang gerecht zu werden: Schließlich kommen oftmals bis zu 800 Besucher.

SZ: Warum kaufen Menschen das Gepäck wildfremder Personen?

Wendt: Die Leute finden es spannend, in fremde Koffer hineinzuschauen. Vor 15 Jahren haben wir bei den Auktionen die Koffer noch geöffnet und den Leuten gezeigt, was sie ersteigern. Dann äußerte das Publikum den Wunsch, dass wir das Gepäck verschlossen lassen. Die Leute wollen lieber die Katze im Sack kaufen - mit dem Risiko, dass im Koffer nur getragene Unterwäsche ist.

SZ: Welche Fundstücke waren besonders ausgefallen?

Wendt: Das reicht vom aufblasbaren Katamaran über die Wildwasserkajaks der tschechischen Nationalmannschaft bis hin zur Domina-Ausrüstung. Zu 95 Prozent ist der Inhalt unspektakulär.

SZ: Was war der niedrigste, was der höchste Betrag, der je ersteigert wurde?

Wendt: Es kommt sogar vor, dass wir Teile verschenken, weil sie so unattraktiv sind. Eines der teuersten Verkaufsstücke war ein Louis-Vuitton-Sack für 1500 Mark. Der Durchschnittsverkaufspreis liegt bei circa 80 Euro.

SZ: Hat man denn eine Chance, im ersteigerten Koffer Wertsachen zu finden?

Wendt: Wertsachen werden zwar verzollt, bleiben aber im Koffer. Bargeld dagegen wird entfernt und auf ein Sonderkonto eingezahlt, genauso wie der Koffererlös. Dieses Geld wird wiederum für die Gepäckermittlung eingesetzt.

SZ: Der Andrang bei Ihren Auktionen ist immer sehr groß. Sie müssen also gut verdienen?

Wendt: Ich bekomme 18 Prozent vom Gesamtumsatz. Wenn ich allein davon leben müsste, würde ich verhungern. Reich sind wir davon noch nicht geworden.

© SZ vom 21.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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