Neuer Solidaritätszuschlag:Fliegend Leben retten

Lesezeit: 2 min

Am 1. Juli führt Frankreich als erstes Land in Europa eine Steuer auf Flugtickets zu Gunsten von Entwicklungsländern ein. Deutschland könnte bald folgen.

Von der neuen Steuer sind auch deutsche Passagiere zum Teil betroffen. Mit dem erwarteten Erlös von 200 Millionen Euro pro Jahr will Paris den Kampf gegen die Krankheiten Aids, Tuberkulose und Malaria finanzieren, an denen pro Jahr weltweit sechs Millionen Menschen sterben. In Deutschland ist die Einführung einer solchen Abgabe umstritten.

Bei Flügen innerhalb Frankreichs und bei Europaverbindungen müssen Passagiere ab Juli einen Aufschlag von einem Euro in der Touristenklasse und zehn Euro in der Business-Class zahlen. Bei außereuropäischen Verbindungen sind es vier beziehungsweise 40 Euro. Auch Fluggäste, die nach Frankreich reisen, müssen die Abgabe entrichten. Damit sind auch zehntausende deutsche Passagiere pro Jahr betroffen.

Das Geld aus der so genannten Solidaritätssteuer fließt in den Fonds Unitaid. Er kauft zu möglichst künstigen Konditionen Medikamente für arme Länder, die dann etwa in Impfprogrammen verwendet werden.

"Wir können nicht die Hände in den Schoß legen und zusehen, wie in Afrika Kinder sterben", verteidigt Verkehrsminister Dominique Perben die Steuererhöhung für wohltätige Zwecke. "Wir brauchen Mut und Freigebigkeit."

Direkte Zahlungen bevorzugt

Die Luftfahrtbranche lief vergeblich gegen die Abgabe Sturm und warnte im Frühjahr vor dem Verlust von bis zu 4000 Arbeitsplätzen. Airlines und Reiseveranstalter monieren eine Diskriminierung des ohnehin unter hohen Ölpreisen leidenden Luftverkehrs gegenüber anderen Verkehrsmitteln und Konkurrenten aus Ländern, in denen die Steuer nicht erhoben wird.

Das sind viele. Zwar wirbt Frankreichs Präsident Jacques Chirac seit eineinhalb Jahren unermüdlich für das Projekt, das dazu dienen soll, bis 2015 die so genannten Millenniums-Ziel der UNO im Kampf gegen Armut und medizinische Unterversorgung zu erfüllen. 13 "feste" Zusagen hat Paris bisher eingesammelt, darunter aus Brasilien, das wahrscheinlich nächste Woche die Einführung verkünden wird. Chile hat die Steuer bereits, und Großbritannien will eine bestehende Flugsteuer umwidmen. Doch viele Länder ziehen es vor, sich durch direkte Zahlungen in den Impf-Fonds zu beteiligen, als das Geld über eine möglicherweise unpopuläre Steuer einzutreiben.

"Innovative Finanzierungsinstrumente"

Das deutsche Entwicklungshilfeministerium bezeichnet die Abgabe als "ein mögliches Instrument, das wir prüfen". Dabei verweist das Ressort von Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) auf Deutschlands Verpflichtung, die Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu verdoppeln. Im Koalitionsvertrag sei festgehalten, dass dies auch über "innovative Finanzierungsinstrumente" erreicht werden solle, sagt Wieczorek-Zeuls parlamentarische Staatssekretärin Karin Kortmann (SPD). Aus ihrer Sicht gibt es "keine Alternative" zu der Flugsteuer. In der Koalition werde "nichts anderes mehr diskutiert". Kortmann hofft bereits im Herbst auf einen Beschluss für ein Gesetz und nennt nötige Einnahmen von 400 bis 500 Millionen Euro.

Doch die Widerstände sind groß, wie Peter Wahl, Geschäftsführer der deutschen Entwicklungsorganisation WEED, sagt. Zwar hätten 106 Bundestagsabgeordnete eine Kampagne für die Steuer unterstützt, darunter Ex-Finanzminister Hans Eichel (SPD). Doch Eichels Nachfolger Peer Steinbrück (SPD) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) stemmten sich gegen die Abgabe, weil aus ihrer Sicht wegen der Erhöhung von Mehrwert- und Versicherungsteuer und stärkeren Belastungen bei den Gesundheitskosten "eine vierte Steuer nicht vermittelbar ist". Eine für Freitag geplante Bundestagsdebatte über die Abgabe wurde mit der Mehrheit der großen Koalition kurzfristig abgesagt.

Doch Kortmann hofft, dass das französische Vorbild zeigt, "dass es keinen Rückgang bei den Fluggastzahlen gibt". Dann sei alles eine Frage der Vermittlung: "Wir müssen klar machen, dass wir damit ganz bewusst Leben finanzieren und nicht Haushaltslöcher stopfen."

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: