Nachgefragt:Wie fliegt man ohne Angst?

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Auf dem Flughafen Düsseldorf gibt es seit kurzem eine Flugangstambulanz. Bis kurz vor Abflug können Passagiere dort für 25 Euro einen Psychologen konsultieren. Marc-Roman Trautmann vom deutschen Flugangstzentrum erzählt, mit welchen Fragen die Leute zu ihm kommen.

Auf dem Flughafen Düsseldorf gibt es seit kurzem eine Flugangstambulanz. Bis kurz vor Abflug können Passagiere dort für 25 Euro einen Psychologen konsultieren. Eröffnet wurde die Ambulanz vom deutschen Flugangstzentrum. Dessen Gründer Marc-Roman Trautmann erzählt, mit welchen Fragen die Leute zu ihm kommen.

Diplompsychologe Marc-Roman Trautmann spricht mit einer Flugangstpatientin. (Foto: Foto: ddp)

SZ: Haben sie viel zu tun seit den vereitelten Terroranschlägen in London?

Trautmann: Wir hatten nicht wesentlich mehr Leute, die zu uns in die Ambulanz kamen oder an einem Flugangstseminar teilnahmen. Allerdings haben mehr Leute die Frage nach dem Terror gestellt. Ich nenne sie die Columbo-Frage, denn zunächst geht es um klassische Absturzängste. Erst zum Schluss, wenn die Leute schon in der Tür stehen, fällt ihnen noch die Terrorgefahr ein.

SZ: Und was sagen Sie denen?

Trautmann: Fliegen ist nicht gefährlicher geworden. Die Sicherheitsvorkehrungen haben ja gegriffen in London. Es gibt kein Verkehrsmittel, das derart vorab gesichert ist, wie das Flugzeug. Und schließlich muss man nicht mehr in ein Flugzeug steigen, um Opfer eines Terroranschlags zu werden. Das ist zwar tragisch, aber viele sagen dann: Ja, da haben sie eigentlich Recht.

SZ: Gibt es auch eine Angst vor arabisch aussehenden Passagieren?

Trautmann: Seit dem 11.September gibt es das. Wir lassen die Menschen ihre Angst zeichnen. Aber in den vergangenen fünf Jahren haben nur fünf Leute einen arabisch aussehenden Mann gemalt.

SZ: Ist eine Angstambulanz kurz vor dem Abflug überhaupt sinnvoll?

Trautmann: Ja. Uns rufen Leute oft erst drei Tage vor dem Flug an. Häufig sind es die kleinen Fragen und Antworten, die weiterhelfen können. Unlängst wollte eine Frau keine Therapie, sondern nur ein Gespräch mit einem Flugkapitän. Eine andere Frau hatte eine Trommelfelloperation gehabt und wollte mit einem sprechen, der ihr über die Druckverhältnisse an Bord Auskunft geben konnte.

SZ: Was ist mit den krassen Fällen?

Trautmann: Vor zwei Tagen kam eine E-Mail: "Ich muss am Freitag nach Johannesburg fliegen, habe Todesangst. Habe schon Medikamente vom Hausarzt bekommen und ein Flugangstbuch, und trotzdem: Freitag ist mein letzter Tag im Leben, dabei habe ich noch so viel vor. Wenn ich die Augen schließe, gibt es Flugzeugunglücke und ich sehe mich als Leiche. Können Sie aus der Ferne und auf die Schnelle helfen?" - Können wir natürlich nicht. Wir rieten von dem Flug ab und empfahlen eine Psychotherapie.

SZ: Welche Techniken empfehlen Sie dem gemäßigten Aviophobiker?

Trautmann: Wir versuchen es zunächst mit Fakten und zeigen Filme, die beweisen, dass es nicht so schlimm ist. Gegen Symptome wie Herzrasen, Schweißausbrüche oder Verkrampfung empfehlen wir Muskelentspannung. Dabei werden Skelettmuskeln wie Fäuste oder Unterschenkel angespannt und wieder locker gelassen. Angstsymptome machen den Körper bereit zur Flucht. Da man aus einem Flugzeug nicht fliehen kann, muss die Energie anders abgebaut werden.

© SZ vom 7.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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