Mythos Mittelmeer:Was ist mediterran?

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Robert Hofrichter versucht in seinem Buch den Mythos Mittelmeer greifbar zu machen.

Von Stefan Fischer

Der Begriff des Mediterranen ist offensichtlich ziemlich dehnbar. Portugal zum Beispiel wird dem mediterranen Raum zugerechnet, obwohl das Land gar nicht am Mittelmeer liegt.

Kalifornien, Chile, Südafrika und der Südwesten Australiens haben das gleiche Klima wie die Mittelmeerregion. Orangen und Zitronen, die man mit Italien verbindet, mit Spanien und Israel, stammen ursprünglich aus Asien - die Orangen aus China, die Zitronen vom Himalaya.

Insofern hat der Meeresbiologe, Autor und Naturfotograf Robert Hofrichter schon recht, wenn er das Mittelmeer im Titel seines Buches einen Mythos nennt.

Er nähert sich ihm von den Rändern her: Die ersten Fotografien zeigen spröde Landschaften - die Wälder rund um das Mittelmeer sind zum Zwecke der Kriegsführung abgeholzt worden. Allein anlässlich der Seeschlacht bei Lepanto 1571 wurden eine Viertel Millionen Baumstämme erst zu Schiffen zusammengezimmert und dann postwendend als Wrackteile versenkt.

Am Ende des Bandes befindet sich auch Hofrichter unter der Wasseroberfläche, er zeigt Ausschnitte aus der dortigen Tier- und Pflanzenwelt. Dazwischen gehorchen die Aufnahmen keiner Ordnung, es sind überwiegend Stimmungsbilder, von denen man nicht unbedingt zu wissen braucht, wo in Griechenland oder Frankreich sie aufgenommen sind.

Im Wechsel mit den Fotografien stehen charmant geschriebene Feuilletons über Naturphänomene wie den Wind. Andere sind dem Lebensstil gewidmet, und eines Homers möglicher Meeres-Antipathie.

Als Gewährsmann hat Hofrichter sich Mark Twain gewählt. Er zitiert aus dessen "Reise durch die Alte Welt", eine Europa- und Mittelmeerreise. Auch Twain hat erkannt, dass dieses Meer nicht trennt, sondern verbindet. Oder kennt jemand die Grenze zwischen Orient und Okzident?

ROBERT HOFRICHTER: Mythos Mittelmeer. Verlag Carinthia, Klagenfurt 2004, 200 Seiten, 26 Euro.

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