Mittelmeer:Tunnelblick

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Trichterrutsche statt Schiefer Turm von Pisa: Eine Mittelmeerkreuzfahrt mit Kind hat ihre eigenen Attraktionen.

Von Verena Wolff

Emily will nicht an Land. Draußen lockt der Hafen von Livorno, die Norwegian Epic hat schon früh am Morgen angelegt. Was läge nicht alles im Umkreis: Pisa, Florenz, San Gimignano, die ganze Toskana. Aber nein. Das Kind will auf dem Schiff bleiben. Nun ist es nicht so, dass Emily ein dauermotzender Teenager ist. Sie ist ja erst acht Jahre alt. Aber unabhängig vom Alter der Kinder würde das auf der Epic keinen Unterschied machen. Denn das Angebot für Kinder und Jugendliche auf den 19 Decks ist gigantisch. Man kann leicht eine Woche irgendwo schippern, ohne das Schiff auch nur ein einziges Mal verlassen zu haben. Was schade wäre, denn die Reederei bietet Fahrten in sehenswerte Regionen an. Auf dieser Reise ist es das westliche Mittelmeer: Barcelona, Neapel, Civitavecchia, der Hafenzugang nach Rom, dann noch Livorno, Cannes, Palma de Mallorca und wieder Barcelona.

Mit viel Geschichte im alten Pompeji, in Rom, in Florenz. Mit viel Strand, in Capri, in Cannes und in Mallorca. Oder mit viel Party. Aber auch dazu muss man das Schiff nicht eigens verlassen. Freestyle Cruising heißt das Konzept der Reederei NCL, jeder macht, was er will. Dazu gibt es alle Möglichkeiten - auch für Kinder. Denn die haben ihre eigene Splash Academy, einen Kinderclub, der das gesamte Ende von Deck 16 einnimmt. Und eine "Arcade", in der man Lufthockey spielen oder sich an zahlreichen Computerkisten austoben kann.

"Dort können die Kinder so laut sein, wie sie wollen, das stört niemanden", sagt Hoteldirektor Nelson Martins. Nötig ist das vor allem, wenn das Schiff im Sommer richtig voll ist. Gut 5000 Passagiere passen dann hinein in die Kabinen der Epic, davon mehr als 1000 Kinder, wenn in Europa und den USA Ferien sind. "Viele Kabinen sind familiengerecht gebaut", sagt der Hoteldirektor. Das bedeutet, dass es neben dem großen Bett noch zwei Möglichkeiten gibt, Schlafgelegenheiten für Kinder bereitzustellen.

Dann allerdings wird es eng in den regulären Kabinen, die schon für zwei Gäste nicht allzu üppig bemessen sind. Schlimm ist das nicht, denn die meiste Zeit hält man sich ohnehin in den anderen Bereichen auf. Besser sieht es in den Suiten aus, die weiter oben auf dem knapp 40 Meter hohen Schiff liegen. Da ist mehr Platz für alle, für Gäste ohne Kinder ist dort oben auch mehr Ruhe.

Emily macht sich nun auf Richtung Deck 15, das oberste, das mit dem Fahrstuhl für alle zu erreichen ist. Kaum ist der Aufzug angekommen, wuselt sie sich durch die Kreuzfahrer, wirft Handtuch und Kleidchen auf eine Liege. Mit dem dicken Gummireifen im Arm läuft sie nun zur gelb-orange gestreiften Trichterrutsche, die die Höhe mehrerer Stockwerke überwindet. Dass der Wind eher kühl vom Meer weht, geschenkt. Die Sonne scheint, sie macht vieles wett - auch im Frühjahr und im Herbst.

Gerutscht wird nun, bis die Beine müde werden, denn der Weg zum Start der drei Rutschen umfasst viele, viele Treppenstufen. Das Kind ist flugs oben und noch schneller wieder unten - Trichterrutsche, grüne Rutsche, lila Rutsche. Die Mutter kann das nicht so schlimm finden, denn so bleibt Zeit für ein Buch. Verlorengehen kann die Tochter schließlich nicht - es sei denn, sie ginge über Bord. Aber das ist noch nie passiert auf einem NCL-Schiff, versichert Hoteldirektor Martins.

So viel ist sicher: Vom Schiff hinunter kommt sie nicht, dazu müsste sie die Sicherheitsschleuse mit ihrer Chipkarte passieren. Aber spätestens dort ist Endstation, und sie würde zurück zu den Eltern oder in den Kinderclub geleitet.

"Die Kinder können sich auf dem gesamten Schiff frei bewegen, im Kinderclub sind sie jederzeit betreut und müssen von ihren Eltern wieder abgeholt werden", erklärt Armeaú du Bois aus Südafrika, der für die Betreuung an Bord verantwortlich ist - und den alle nur "Elmo" nennen. Auch sehr früh am Morgen oder sehr spät am Abend sind Mitarbeiter für den Nachwuchs im Einsatz - wenn die Eltern etwa ein Dinner ohne Kinder planen oder schon sehr früh zu einem Ausflug von Bord gehen. Dann allerdings kostet das eigentlich kostenlose Programm ein paar Dollar extra pro Stunde. Und auch das Abhol-Prozedere hat es in sich: Man muss dazu die eigene und die Schiffskarte des Kindes haben und ein vorher ausgemachtes Passwort vortragen. Sonst darf das Kind nicht mit.

Das Kinderprogramm ist in fünf Altersgruppen eingeteilt - entsprechend sind die Spiele und Aktivitäten, die der Nachwuchs in der Splash Academy oder an anderen Orten unternimmt. Von Theateraufführungen, Flaggenraten, Rätseln über Tanzen und Schminken bis zu Schnitzeljagden an Bord oder der "Survivor Night" - langweilig wird es den Kleinen nicht. Die Betreuer sind zwar aus vielen Ländern, doch eines haben sie gemeinsam: "Alle sind vom Fach, und alle sind an Land ausgebildet", betont Elmo. Sprachlich ist das zwar manchmal ein ziemliches Durcheinander, doch mit ein paar Brocken Englisch kommt man immer durch. Den Sprachkurs gibt es quasi gratis zur Reise dazu.

Nach unzähligen Treppenstufen und Ritten durch die Tunnelrutschen plagt Emily plötzlich der Hunger - nun wird die Mutter doch mal gebraucht. Sandwich, Pizza, Burger, Pommes, Salat: Die Verpflegung in den 17 Restaurants der Epic kann man getrost ebenfalls als episch bezeichnen, es gibt kaum einen Essenswunsch, der bei dem breiten Angebot nicht befriedigt werden kann. An der Ausgabe am Pooldeck allerdings geht es mittags recht amerikanisch zu - doch das macht Kindern nichts aus. Pommes gehen immer. Und dann kommt Emily noch mit einem Wunsch um die Ecke. "Mama, weißt du, diesen Schiefen Turm würde ich ja doch ganz gerne sehen." Prima.

Also: Schnell trockene Sachen anziehen, Mietwagen an der Rezeption bestellen, runter vom Schiff. Und dann geht es über die Strada Statale 1 nach Pisa. Vollkommen unabhängig von Bussen voller Kreuzfahrer, die sich zu dem statischen Wunder am Domplatz aufgemacht haben. Zwar sieht man sie, vor allem da, wo die typischen Instagram-Fotos entstehen. Aber man ist nicht Teil von ihnen und kann einfach so lange schauen und in der Sonne sitzen, bis die Sehenswürdigkeit sich so richtig eingeprägt hat - und bis die Menschenmenge sich verzogen hat und auch das eigene Foto vom Turm gemacht ist. Dann geht es wieder zurück in das schwimmende Hotel, zurück aufs Pooldeck. "Aber rutschen mag ich heute nicht mehr, das ist mir zu kalt", sagt Emily, die in dieser Woche nur selten ohne Bikini anzutreffen ist. Aber für die kühleren Abendstunden gibt es ja die Whirlpools an Deck. Und das Abendessen kann warten. Denn auf der Epic gibt es immer mindestens ein Restaurant, das geöffnet hat.

© SZ vom 22.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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