Luxus-Hotel am Obersalzberg:Im Licht der Moderne

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Austreibung des Völkischen durch pathosfreien Luxus: Ein Besuch im Intercontinental Resort Berchtesgaden.

Herr Pfisterer freut sich: "Jetzt hat die Gaudi hoffentlich ein Ende". Herbert Pfisterer, bis zu seiner Pensionierung 1995 Tourismusbeauftragter in Bad Reichenhall, gebürtiger Berchtesgadener, Zeitzeuge und daher ortskundiger Begleiter, steuert seinen Mercedes sicher auf das mächtige vierstöckige Halbrund zu, das die Kuppe des Eckerbichls seit neuestem einnimmt: das Intercontinental Resort Berchtesgaden.

Hotelbau auf dem planierten Göring-Bormann-Hügel. (Foto: Foto: dpa)

Mit der Gaudi meint er den Rummel, dem die ganze Region in diesen Wochen deshalb wieder einmal ausgesetzt ist. Denn Herbert Pfisterer sieht nun die Chance, dass das Berchtesgadener Land durch den Hotelbau (Entwurf: Kochta Architekten, München) auf dem planierten Göring-Bormann-Hügel auf tausend Metern Höhe, endlich wieder zu dem werden könnte, was es zwischen den 1870er Jahren und dem Einzug der Nazigrößen war: eine beliebte Touristenregion in einer hochdramatischen Landschaft mit tiefen Wassern und hohen Gipfeln.

Schicksalsberg Watzmann, Schicksalssee Königsee, Schicksalsgeschichte Nationalsozialismus: Bereits 1948 sprach Landrat Theodor Jacob aus, was alle dachten: "Sicher ist eines, Berchtesgaden muss wie bisher auch in Zukunft vom Fremdenverkehr leben, und alles, was diesen fördert, ist richtig."

Man hatte mit dem Nachbarn Hitler gelebt und von den Nazis profitiert. Danach profitierte man von den Amis und auch noch von den Wallfahrern, die bis zur Sprengung des Berghofes 1952 zu dessen Ruinen gepilgert waren und ihren Führer wieder haben wollten.

Und immer noch ist Hitler nicht ganz tot, auch wenn seit der Einrichtung des Dokumentationszentrums die Ewiggestrigen und deren Nachkommen angeblich fortbleiben.

Pfisterer hat als Junge die uniformierten Männer und ihre eleganten Frauen erlebt: Er fand sie schön. "Von Dachau hat schon jeder gewusst", sagt er.

Schöne und Reiche

Aber vermutlich haben die Berchtesgadener bis auf die Zwangsverkäufe auf dem Obersalzberg den Nationalsozialismus hauptsächlich als pompöse Inszenierung empfunden.

Demnächst wird Pfisterer wieder schöne Menschen sehen, nämlich Touristen, die in Designer-Sport-Outfits direkt von ihrem Designer-Hotel in den Skilift steigen.

Wer sich ein Zimmer zum Preis von 289 bis 1300 Euro (für die 179 Quadratmeter große Präsidentensuite) in diesem als "erstes deutsches Mountain Resort" titulierten Berghotel der Intercontinental Gruppe leisten kann, der gehört zu den Schönen und Reichen.

Die Gäste werden auf Fragen zur kurzen, aber umso folgenschwereren jüngeren Geschichte des Ortes von einem der 140 Hotelangestellten dank zweitägiger Schulung auf jeden Fall eine Antwort bekommen. Im Hotel selbst aber wird nichts daran erinnern.

Denn der Bau, vor allem seine Innengestaltung, erscheint als Gestalt gewordener Exorzismus von allem völkischen Mief, wie er sich in der Möblierung der Nazibauten niederschlug.

Einziger ironischer Verweis auf waidmännisch-rustikalen Zimmerschmuck: Alu-Gamsgeweihe auf farbigen Scheiben über dem westlichen Treppenaufgang. Im Interconti denkt man an Chanel-, nicht an Berchtesgadenerjäckchen.

Krampfhafte Analogien

Und es ist nur dumm, wie einige Medien krampfhaft Analogien herstellen. Muss man tatsächlich die bodentiefen Fenster mit der versenkbaren Panorama-Scheibe in Hitlers Berghof und die Regenduschen, die es inzwischen in jedem Baumarkt zu kaufen gibt, mit den Düsen in den Gaskammern assoziieren?

Dass der Bau hinter der Landschaft zurücktreten soll, was bei seiner monumentalen Wucht schwierig ist, leuchtet ein. Das quer gerasterte Hufeisen gibt sich als gleichermaßen repräsentativer wie unauffälliger Zweckbau, der keinerlei Pathos aufkommen lassen will und soll.

Anders als die architektonische Gigantomanie der Nazis verzwergen die Dimensionen des Hauses den Menschen nicht. Sie stellen, wie die Möbel und die hohen, kahlen Bühnenbilder des Theatermachers Robert Wilson, der den Architekten als Vorbild diente, neue, gewiss strenge, aber in sich stimmige Dimensionen her.

Auch von der Innenseite her ist der Bau stets präsent, krümmt sich nach Süden hin zu einem Hof, so dass man zur einen Seite jeweils den gegenüberliegenden Schenkel im Blick hat, auf der anderen die Berge.

Das Spektakel spielt draußen, der diskrete Luxus innen. Das Interieur des Hotels gleicht einem klassisch geschnittenen Kaschmirpullover: unscheinbar, beste Qualität und sehr, sehr teuer.

Ein wenig irritierend, welch unterschiedliche Wirkung dieses Prinzip edler Zurückhaltung im Überdimensionierten erzeugt. Die immer wieder neu variierte Kombination von Raucheiche für Böden und Holzverkleidungen, von Naturstein und von den von der Natur abgeschauten Herbstfarben Rot, Gelb und Grün für Mobiliar und eingelassene Teppichböden entfaltet in den Zimmern und Suiten eine zurückhaltende Behaglichkeit, wirkt in den öffentlichen Bereichen hingegen überraschend bieder.

Im Arbeitslicht sehen die beiden Restaurants mit ihren Chenille-bezogenen Hochlehnern an quadratischen Holztischen aus wie Speisesäle im Siebziger-Jahre-Retro-Look.

Panoramablick überdauert tausendjähriges Reich

Sie werden allerdings erst zu beurteilen sein, wenn sie sich mit den wechselnden Tageszeiten in Objekte sieben verschiedener Lichtszenarien vom weißen Morgenlicht zum dämmrigen Candlelight verwandeln.

Das Licht imitiert die Natur, obgleich die doch überall zum Fenster hinein schaut. Sogar in die finnische Sauna dringt Tageslicht, selbst von hier aus hat man den Blick auf den eigentlichen Reichtum rundum.

Den hat das Interconti auch nur geliehen - wie vor ihm 1877 Mauritia Mayer mit ihrer "Pension Moritz", wie Adolf Hitler und seine Entourage, wie die Amerikaner: den 360-Grad-Panoramablick, der auch ein tausendjähriges Reich überdauert.

© SZ vom 24.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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