Lust & Laune:Latex, Gummi und Leder nach Maß

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Für Sex und Erotik ist nachts die Prime Time, denn vom schmutzig-verruchten Unterwelt-Glamour der Striplokale, Sex-Shops und Straßenmädchen bleibt am Tage nur das öde Grau einer viel befahrenen Durchgangsstraße. Dennoch finden sich hier auch tagsüber allerlei Dinge, die für die Nacht vorsorgen.

So sind die vielen Tanzschuppen der roten Meile auch am Tag geöffnet. Allerdings fehlt es zu mittäglicher Zeit an Publikum. Die Türsteher sehen noch grimmiger aus als in der Nacht, und es gehört schon eine ganze Portion Mut dazu, einen Blick hinein zu werfen.

Zahlreich Erotikshops und Tanzbars säumen die rote Meile. (Foto: Sylvia Stumpf)

Recht trist geht es dort am Tage zu. In einer kleinen Bar, am unteren Ende der Reeperbahn, dreht einsam eine leicht verschüchtert wirkende Frau ihre Runden an der Stange. Das Publikum besteht aus drei dicklichen Frauen im fortgeschrittenen Alter, die sie aufmerksam beäugen. Sonst ist hier keiner. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Art Probe, aber näheres will man gar nicht wissen und begibt sich wieder zurück ans Sonnenlicht.

Am anderen Ende der Reeperbahn, finden sich aufgeschlossenere Menschen, die die Bevölkerung mit dem versorgen, was bei Sexspielchen getragen wird. Das sind nicht nur die großen Boutiquen, die hell erleuchtet die rote Meile säumen. Wenn man genau schaut, finden sich auch kleine Geschäfte, bei denen das persönliche Gespräch noch zählt.

Bei Leder-Puls kommt Qual von Qualität

In der Davidstraße 5, einer Seitenstraße der Reeperbahn, befindet sich eine Schneiderei besonderer Art: Die Auslage im Schaufenster des "Puls-Drugstores" gibt das Geheimnis des Ladens nicht sofort preis. Im rechten Teil des Schaufensters stehen Bügeleisen neben Reiseweckern, Küchenradios neben Kaffeemaschinen.

Erst auf der linken Seite finden sich in dem Dickicht vertrauter Alltagsgegenstände ein Haufen Lederschlaufen und -gürtel, Gummipenisse und Intimschmuck wie die zufällig vergessenen Utensilien eines achtlosen Dekorateurs. Allmählich dämmert es den ahnungslosen Passanten, es handelt sich um den renommiertesten Bedarfsläden für Sadomasochisten in Deutschland.

Vor über 20 Jahren haben Günter Puls und seine Frau Elke ihre Jobs als Nähmaschinenmechaniker beziehungsweise als Anwaltsgehilfin aufgegeben, um SM-Bedarf zu nähen. Ihre maßgeschneiderten Hand- und Fußfesseln, Gerten und Peitschen, Kopfmasken und Keuschheitsgürtel kommen in der ganzen Welt zum Einsatz.

Was "Leder-Puls" so bekannt gemacht hat, ist die sorgfältige Handarbeit, mit der hier jedes Teil genäht wird. Bei "made by Puls" sitzt jede Naht. Zudem wissen sie, dass nur gut aussieht, was auch gut sitzt. Und dieses Wissen hat sich in den letzten zwanzig Jahren herumgesprochen. "Wer einmal maßgeschneiderte Sachen getragen hat, der will meist gar nichts mehr von der Stange."

Elke weiß, wovon sie spricht. "Das eine oder andere" haben sie und ihr Mann auch schon mal ausprobiert. "Gesunde Neugier" ist ihre Begründung, denn ursprünglich hatten die beiden nichts mit der S/M-Szene zu tun.

Der Herr der Gummis

Mit alltäglicheren Dingen hat Fred Hesse zu tun. Seit Ende der 80er Jahre verkauft er Kondome in seinem kleinen Laden am Spielbudenplatz 18. Damals müssen es bessere Zeiten für Kondomverkäufer gewesen sein. Die Angst vor Aids war viel größer und "Safer Sex" entsprechend angesagter als heute. Und dass man auch im Supermarkt Kondome kaufen konnte, war damals eher Ausnahme als Regel.

Die knapp zehn Quadratmeter kleine Verkaufsfläche ist vollgestopft mit allen erdenklichen Produkten, die in so einen Laden gehören: Kondome in Katzen- oder Hundeform, Kondome, die einen Bierkrug darstellen oder eine Sektflasche, ein Pokemon-Kondom, das bei Intimkontakt eine Überraschungsmusik verspricht, feuchte Kondome, große Kondome, genoppte Kondome: Kondome ohne Ende.

Nicht alle Kunden begegnen Hesse völlig unverkrampft. Wenn mal einer vor Scham kein Wort herausbringt, hilft Fred Hesse, das vermeintlich Unaussprechliche auszusprechen. Das ist der große Vorteil der Condomerie gegenüber den anonymen Sexshops oder den Kaufhäusern.

Mehr noch: An der Nähe zu seinen Kunden hängt die Existenz von Hesses "Condomerie". Denn abgesehen von den Touristen, die sich schon mal in Form eines kompletten Kegelclubs ins Geschäft quetschen, sind die meisten Stammkunden.

Würden die wegbleiben, sähe es düster aus, bei einer Laufkundschaft von manchmal nur zehn oder zwanzig Leuten am Tag. "Das passiert aber nicht", sagt Fred Hesse lächelnd und fügt werbespruchreif hinzu: "Wir sind die Condomerie mit Herz." Er hält die linke Hand auf, zwei Kondome liegen darauf - "Geh' mit Gott, aber nicht ohne Gummi."

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