Lieblingswerk:Mahnmal und Statuette

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Berlin ist reich an Museen, Galerien und auch an Skulpturen im öffentlichen Raum. Kulturschaffende aus der Hauptstadt erzählen, welches Kunstwerk sie persönlich bevorzugen, und aus welchen Gründen sie es wichtig finden.

Mahnmal

(Foto: Clara Wenzel-Theiler)

Kristian Jarmuschek, Geschäftsführer der Kunstmesse Positions: Zum einen finde ich, das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas ist immer noch ein großartiges Kunstwerk, welches versucht, mir das Unfassbare des historischen Prozesses physisch und dadurch auch psychisch erfahrbar zu machen. Zum anderen freue ich mich sehr auf die Ausstellung von Nicholas Nixon bei C/O Berlin. Ich weiß zwar nicht mehr, wann ich die Serie der "Brown Sisters" zum ersten Mal gesehen habe, aber mich hat von Anfang an der sichtbare Prozess der Entwicklung der Schwestern total fasziniert. Es entstehen so viele Fragen beim Betrachten der Serie, und ich hätte diese sehr gern den Frauen bei einem persönlichen Gespräch gestellt.

Absperrgitter

(Foto: Wolfgang Stahr)

Simone Leimbach, Leitung der Abteilung Projekte & Veranstaltungen bei Kulturprojekte Berlin: Mein Lieblingswerk ist "13.4.1981" von Olaf Metzel. Die Skulptur wurde 1987 in der Nähe der Warschauer Brücke / Gelände des Spreespeichers, Stralauer Alleeerrichtet, gerade erst demontiert und in Schöneberg wieder aufgebaut: überdimensionierte Absperrgitter, darauf ein Einkaufswagen. Mir gefällt an der Skulptur, dass sie - 1987 zur offiziellen 750-Jahr-Feier Berlins - aktuelle gesellschaftliche undpolitische Ereignisse thematisiert hat. Für eine breite Öffentlichkeit umsonst und draußen installiert, provozierte sie und löste Kontroversen aus - und musste schließlich weichen. 2001 wieder in gänzlich anderem Kontext errichtet, ist ihre Geschichte ähnlich spannend und dramatisch wie die Ereignisse, auf die sie damals verwies - auch wenn vielen derheutigen Betrachter dies nichtbewusst sein wird.

Schutzgöttin

(Foto: Imago)

Stephanie Rosenthal, Direktorin des Martin-Gropius-Baus: Die Statuette der magischen Schutzgöttin Thoeris im Neuen Museum ist eine Arbeit in Berlin, die ich aus unterschiedlichen Gründen wunderbar finde. IhreGestalt setzt sich ausverschiedenen Tieren zusammen - Kopf und Körper des Nilpferds, Schwanz eines Krokodils und Tatzen des Löwen. Mit dieser Erscheinung und einem weit aufgerissenen Maul hinterlässt sie einen Schreckenseindruck, sie zählt zu den sogenannten Dämonen. Gleichzeitig galt Thoeris als Schutzgottheit für schwangere Frauen und deren ungeborene Kinder. Interessant ist hierbei die Ambivalenz zwischen Schönheit und Schrecken. Lee Bul, mit der ich gerade ihreAusstellung "Lee Bul: Crash" für den Gropius-Bau aufbaue, bearbeitet diesen Gegensatz auf zeitgenössische Weise: Die Werke der Künstlerin schweben oft dazwischen und zeigen, dass sich beides nicht ausschließt, sondern sogar eng beieinanderliegt.Außerdem haben Themen derArchäologie auch in der jetzigen Zeit immer noch Bestand - nicht nur die Beschäftigung mit dem Körper, auch seine gesellschaftliche Relevanz und symbolische Bedeutung sind Sujets, die in der zeitgenössischen Kunst gerade heute wiederbesondere Relevanz erfahren. Durch diese Verbindungen undVerweise erhalten wir dieGelegenheit, Zugriff auf frühereEpochen zu haben und umgekehrt.

Beuys

(Foto: Julian Charrière)

Julian Charrière, Konzeptkünstler sowie Teil des Programms der Berlin Art Week mit einer Einzelausstellung in der Berlinischen Galerie: Eines meiner Lieblingskunstwerke in Berlin ist "Das Ende des 20. Jahrhunderts" von Joseph Beuys im Hamburger Bahnhof. Ich liebe Beuys mystisch aufgeladene Materialsprache. Für mich ist dieses Werk auch heute nach dem Ende des 20. Jahrhunderts ein eindrücklich Appell an unsere Gesellschaft und ein zeitloses Mahnmal, von dem eine bedrückende Schwere ausgeht, das gleichzeitig aber auch die Perspektive für eine alternative, bessere Zukunft bietet.

Denkzeichen

(Foto: Jens Ziehe)

Marius Babias, Direktor Neuer Berliner Kunstverein (n.b.k.): Mein Lieblingskunstwerk in Berlin ist das "Denkzeichen Rosa Luxemburg" von Hans Haacke vor der Volksbühne, weil es sich um ein Werk handelt, das im wahrsten Sinne des Wortes das Vermächtnis Rosa Luxemburgs, ihr freiheitliches Denken auf die Straße bringt - und das in Zeiten zunehmender Verächtlichmachung sozial Schwacher sowie einer wachsenden Infiltrierung der Gesellschaft von rechts.

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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