LGTBQ-Fonds:Anlegen für eine bessere Welt

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Kann man in Geschlechtergerechtigkeit investieren? Einige Fonds haben sich exakt darauf spezialisiert.

Von Miriam Hoffmeyer

Noch vor 20 Jahren waren bei der Geldanlage nur zwei Kriterien zu beachten: Profit und Sicherheit. Heute ist es vielen auch wichtig, dass die Welt durch ihre Investition zumindest ein bisschen besser wird. Die Zahl sogenannter ESG-Fonds ist deshalb in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Die Abkürzung steht für "environmental, social and corporate governance" - also Umweltschutz, soziale Aspekte und gute Unternehmensführung. "Derzeit sprießen Hunderte neuer Nachhaltigkeitsfonds aus dem Boden, alle großen Banken bieten sie an", sagt Professorin Alexandra Niessen-Ruenzi, die an der Universität Mannheim den Lehrstuhl Corporate Governance innehat. Die Banken reagierten schlicht auf die Nachfrage aus der Gesellschaft: "Damit erschließt sich die Finanzindustrie eine ganz neue Kundengruppe. Außerdem sind sich die Banken natürlich ihres schlechten Images bewusst und wollen es mit diesen Produkten verbessern."

Geschlechtergerechtigkeit gehört bei vielen ESG-Fonds zu den Kriterien, nach denen Investments ausgewählt werden. Berücksichtigt wird dann etwa, wie viele Frauen in der Unternehmensspitze vertreten sind oder ob Männer und Frauen gleich bezahlt werden. Auch der Grad der Diversität in der Belegschaft spielt öfter eine Rolle. Wichtigstes Thema ist bei den meisten Nachhaltigkeitsfonds aber der Umweltschutz; besonders beliebt waren zuletzt Klimaschutzfonds. Nur wenige Fonds legen ausschließlich nach den Kriterien Geschlechtergerechtigkeit und Diversität an. Laut Fondsanalysehaus Morningstar sind in Deutschland nur sechs solcher Fonds erhältlich, Ende April steckten darin immerhin knapp 450 Millionen Euro. Drei davon sind ETF-Fonds, also Fonds, die nicht aktiv verwaltet werden, sondern einen Aktienindex nachbilden und daher viel kostengünstiger sind. Der älteste der sechs Fonds - und zugleich der einzige, der nicht in globale Aktien, sondern nur in Aktien aus Deutschland anlegt - ist der 2015 gegründete Ampega Diversity Plus Aktienfonds.

Aus Anlegersicht spreche überhaupt nichts dagegen, in diese Fonds zu investieren, meint Ali Masarwah von Morningstar Deutschland. Sie seien breit gestreut und setzten vor allem auf große Unternehmen. Im Ampega Deutschland-Aktienfonds beispielsweise finden sich Aktien von SAP, Allianz, Siemens und anderen Konzernen. "Das sind Titel, die man in jedem Dax-orientierten Fonds oder Dax-ETF ebenfalls vorfindet", erklärt Masarwah: "Großkonzerne sind typischerweise am weitesten fortgeschritten, wenn es um die Formulierung von Gender- und Diversity-Strategien geht."

Für die LGTB-Zielgruppe hat ein Berliner Unternehmen einen eigenen Aktienindex entwickelt

Einige Fonds orientieren sich an besonderen Aktienindizes wie dem Solactive Equileap Global Gender Equality 100 Leaders der unabhängigen Organisation Equileap in Amsterdam. Die Börse Hannover lancierte vor fünf Jahren den German Gender Index mit Aktien von 50 deutschen Unternehmen, in denen das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Führungskräften in Vorstand und Aufsichtsrat ausgewogen ist. Zum Thema LGBT hat der Berliner Jobmesse-Veranstalter Uhlala im vergangenen Dezember einen eigenen Index erstellt. Darin sind die Dax 30-Unternehmen nach dem Grad ihrer Offenheit gegenüber lesbischen, schwulen, bi- und transsexuellen Mitarbeitern sortiert, auf dem ersten Platz steht SAP. Zu den Kriterien gehört unter anderem, dass es firmeninterne LGBT-Netzwerke gibt, Schulungen zur Sensibilisierung der Belegschaft stattfinden und Transsexuelle ihren neu gewählten Vornamen offiziell im Unternehmen nutzen dürfen.

Einigen Studien zufolge sind Unternehmen mit diversen Belegschaften erfolgreicher. Marc Oliver Rieger, Professor für Banken und Finanzwirtschaft an der Universität Trier, sieht darin allerdings keine Kausalität: "Typischerweise interessieren sich Unternehmen erst für das Thema Diversität, wenn sie bereits erfolgreich sind." Dem Effekt, dass Vielfalt zu mehr neuen Ideen führe, stehe eine größere Zahl interner Konflikte gegenüber. Wissenschaftlich belegt sei, dass von Frauen geführte Unternehmen erfolgreicher seien. Auch hierfür gibt es für Rieger aber verschiedene Erklärungen: "Entweder sind Frauen von Natur aus die besseren CEOs - oder es liegt daran, dass nur die Allerbesten es durch die gläserne Decke schaffen. Demzufolge würde der Effekt also erst durch die systematische Benachteiligung von Frauen verursacht und entfiele, sobald diese Benachteiligung endlich aufhört."

Welche Erklärung stimmt, ist für Anleger vorerst nicht so wichtig. Und auch wenn Nachhaltigkeitsfonds vermutlich nicht die Welt verändern, für die Mannheimer Wirtschaftswissenschaftlerin Niessen-Ruenzi zeigt der Trend zumindest "die zunehmende Bedeutung von Gleichberechtigung und Diversität in der öffentlichen Debatte".

© SZ vom 26.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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