Kulturstadt Dresden:Volle Kraft Kultur

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Walzertakt statt Schichtarbeit: Die Staatsoperette Dresden spielt seit 2016 im ehemaligen Kraftwerk Mitte. (Foto: Sebastian Kahnert/picture alliance)

Dresdens Bürger sind sehr kunstsinnig. Aber sie beobachten jede Neuerung kritisch - dabei kommt oft Gutes heraus, wie man beim Kulturpalast und am Projekt Kraftwerk Mitte sehen kann.

Von Ingrid Brunner

Die Bürger Dresdens sind nicht nur sehr kulturaffine Theater- und Konzertgänger, sie nehmen auch an allem, was Stadt und Freistaat im Bereich Kultur planen, regen Anteil. Dass dabei Gutes herauskommen kann, zeigte sich bei der Sanierung des Kulturpalasts, der vor knapp einem Jahr abgeschlossen wurde. Es wurde heftig gestritten, ob der DDR-Bau des Architekten Wolfgang Hänsch aus dem Jahr 1969, der Vorbild für den Palast der Republik in Berlin war, zurückgebaut oder renoviert werden sollte. Nun hat dort das Ensemble der Dresdner Philharmonie unter der Leitung von Michael Sanderling einen neuen Konzertsaal. Die Musiker waren dabei aktiv an der Entwicklung der Akustik beteiligt, haben mit dem Akustikbüro Peutz andere Konzertsäle in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden besucht. "Die Auslastung bei Konzerten liegt bei mehr als 90 Prozent", sagt Claudia Woldt, die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Dresdner Philharmonie. Daneben sind die Stadtbibliothek und das Kabarett "Die Herkuleskeule" Mieter an der Schloßstraße.

Wo früher Fernwärme erzeugt wurde, erklingt heute Klaviermusik

Schon länger entsteht ein in den Dimensionen weitaus größeres Kulturprojekt: Das Kraftwerk Mitte, ein 40 000 Quadratmeter großes Areal, erbaut 1839, auf dem bis 1994 Strom und Fernwärme erzeugt wurde, soll Zug um Zug zum Kulturkraftwerk werden. Hundert Millionen Euro haben Stadt und Staat als Startkapital beigesteuert. Erste Mieter sind die Staatsoperette und das Theater Junge Generation - tjg. "Im alten tjg war ich schon als Schüler", sagt Norbert Horn. Er ist Ingenieur und Objektleiter beim "Theater in Kraftwerk Mitte". Das bedeutet, dass er für die Sicherheit, Technik und Logistik in der Staatsoperette und dem tjg zuständig ist. Wo früher die alten Generatoren standen, wurde alles entkernt. Heute ist dort das Foyer. Viele Ziegelmauern hat man so belassen, die Bezüge zur Backstein-Instustriearchitektur sind überall sichtbar. Ebenso zur Dresdner Zeitgeschichte: Zwei Sandsteinfiguren aus dem Ende des Zweiten Weltkriegs zerstörten Alberttheater stehen im Eingangsbereich. Sie stammen aus dem Lapidarium: Dort ist alles, was nach der Bombardierung Dresdens noch wertvoll und verwertbar erschien, aufbewahrt. Das Budget für den Bau war knapp. Mit einem Volumen von 110 Millionen Euro sei die Staatsoperette "das günstigste Theatergebäude der Welt", sagt Horn. Gleichwohl: Um die Staatsoperette finanzieren zu können, verzichten deren Mitarbeiter schon seit 2008 auf acht Prozent ihres Gehalts.

Dass immer neue Mieter ins Kraftwerk Mitte einziehen, ist die Aufgabe von Frank Neuber. Als Prokurist im Bereich Liegenschaften bei den Stadtwerken Dresden vermarktet er die Einzelobjekte auf dem Areal. Sein Ziel ist es, mitzuhelfen, hier einen außergewöhnlichen Kultur- und Kreativstandort ins Leben zu rufen. Das Heinrich-Schütz-Konservatorium ist hier eingezogen, erzählt Neuber - man hört von weitem auch schon Klaviermusik. Auch andere Sounds gibt es: Die Eventagentur First Class Concept betreibt hier einen Club, der als sehr coole Adresse in der Stadt gilt. Die Hälfte der Gebäude ist nun saniert. Neuber erzählt, anfangs hätten Künstler und Vermarkter oft aneinander vorbeigeredet. "Für Künstler zu bauen, das mussten wir erst lernen."

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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