Kommentar:Trink einfach!

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Inzwischen wird der meiste Wein über Discounter abgesetzt, zu Cent-Beträgen. In diesem Geschäft überlebt nur, wer besonders viel besonders günstig liefert. Das hat Auswirkungen auf den Weinbau und damit auch auf viele Ferienregionen.

Von Stefan Fischer

Viele Menschen trinken gerne Wein. Unter ihnen sind etliche, die nicht besonders viel von Wein verstehen. Das sei vollkommen in Ordnung, sagt zum Beispiel Aviram Katz, der immerhin vor ein paar Jahren zum besten Sommelier in Israel gekürt worden ist. Denn die meisten Weine, so argumentiert er nonchalant, seien genießbar. Katz' Empfehlung lautet deshalb: "Trink einfach!" Schließlich könne man wenig falsch machen. Dass Kenner aus dem Weingenuss gerne mal eine Art Geheimwissenschaft machen, findet nicht nur er eher albern.

Unübersehbar jedoch ist, dass sich die Weintrinker immer deutlicher in zwei Gruppen aufspalten: Auf der einen Seite sind diejenigen, die nach dem "Trink einfach"-Prinzip im Lauf der Zeit für sich Weine entdeckt haben, die ihnen besonders gut schmecken. Die also, ohne dafür zwingend tiefer in die Materie einzusteigen, zu unterscheiden gelernt haben und sich bewusst für einen Chardonnay und gegen einen Riesling entscheiden. Die mit spanischen Rotweinen besser klarkommen als mit italienischen oder sogar einen Winzer ihres Vertrauens aufgetan haben. Auf der anderen Seite stehen jene Weintrinker, die den Chardonnay deshalb kaufen, weil der 50 Cent günstiger ist als der Riesling. Die Industrialisierung der Weinproduktion schreitet voran, das belegen die Zahlen. Inzwischen wird der meiste Wein über Discounter abgesetzt, zu Cent-beträgen. In diesem Geschäft überlebt nur, wer besonders viel besonders günstig liefert. Das hat Auswirkungen auf den Weinbau und damit auch auf etliche Ferienregionen: Südtirol, die Toskana, die Provence oder die Wachau sind vom Weinbau geprägte Kulturlandschaften, die eben aufgrund dieses Landschaftsbildes bei Urlaubern sehr beliebt sind. Sie müssen gepflegt werden, von Winzern, mittelbar aber auch von deren Kunden. Dazu gehören ganz wesentlich die Touristen. Es ist wie in der alpinen Landwirtschaft: Nur dort weiden Kühe auf den Almen, wo die Bauern faire Milch- und Fleischpreise erhalten. Andernorts vegetieren die Tiere in Großställen, in denen man auch Maschinen montieren könnte. So lassen sich etwa die steilen Moselhänge nur in Handarbeit bewirtschaften. Die Flasche Wein von dort kann also nicht nur drei Euro kosten. Wer in Weinhandlungen geht statt in Supermärkte, wer bei Winzern oder Kooperativen verkostet und sich abgewöhnt, für eine Flasche Wein weniger zu bezahlen als für einen Coffee to go, tut Gutes - ganz egoistisch übrigens, also vor allem sich selbst gegenüber. Denn er investiert in Genuss, erfahrbar gleich über mehrere Sinne. Ohne übrigens große Summen aufwenden zu müssen. Nur so wird niemand und nichts ruiniert.

© SZ vom 29.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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